Seit den 90er-Jahren kennen die deutschen Fernsehzuschauer Tommy Krappweis aus dem Erfolgsformat „RTL Samstag Nacht“. In den Jahren danach konnte er an weiteren erfolgreichen Projekten wie „Bernd das Brot“ (Grimme Preis-gekrönt) und der „prosieben Märchenstunde“ entscheidend mitwirken. Seit dem Jahr 2009 betätigte er sich als Autor der Fantasy-Roman-Trilogie „Mara und der Feuerbringer“. Inzwischen hat er den ersten Teil als Regisseur verfilmt und bringt ihn im Herbst in die deutschen Kinos. Im Rahmen der „HobbitCon“ in Bonn hat er uns einige Fragen beantwortet.
LWR: Zu Anfang deiner Karriere warst du sehr im Comedy-Bereich beheimatet. Wie kam für dich der Sprung zum Fantasy-Autor?
Tommy Krappweis: Ich habe schon immer viel Fantasy gelesen. Ich würde auch „Jim Knopf“ in diesen Bereich einordnen, auch wenn man hier in Deutschland eher Kinderbuch oder fantastischer Roman sagen würde. Hier scheint man etwas Probleme mit dem Begriff Fantasy zu haben. Ich war schon immer sehr an dem Metier interessiert. Ich bin auch ein großer Fan von Terry Pratchett und Tolkien. Deswegen wollte ich schon lange so etwas schreiben, da ich ja auch als Autor von Sketchen und Drehbücher einige Erfahrung hatte. Zu einem Buch hat es nicht gereicht, weil mir bis dahin eine zündende Idee fehlte, über was ich schreiben könnte. Mir ging es ja nicht darum irgend etwas zu schreiben, sondern etwas aufs Papier zu bringen, was dann wirklich aus mir herausfließt. Dann ergab es sich, dass der Sender prosieben eine Fantasy-Serie machen wollte. Daraufhin habe ich mir gedacht, dass ich einfach etwas pitche und habe angefangen zu schreiben. Bald wurde mir aber klar, dass das überhaupt nicht für das Programm und die Uhrzeit passt. Jetzt war ich aber schon so weit, dass ich mich entschied: Das muss aus meinem Kopf. Ich schreibe ein Buch. Dabei hatte ich direkt im Hinterkopf, dass es für ein Verfilmung gedacht ist, weswegen mir danach der Schritt vom Roman zum Drehbuch sehr leicht viel. Natürlich musste ich manches etwas reduzieren, weil wir hier keine Hollywood-Budgets haben. Wir hatten 6,5 Millionen zu Verfügung, was sehr wenig ist, wenn man bedenkt, dass ein Film aus dem Genre in Hollywood ansonsten gut und gerne 80 oder 120 Millionen Dollar kostet.
LWR: Der Film wurde sehr stark von den Filmstiftungen aus Nordrhein-Westfalen und Bayern gefördert. Hat das für dich den Druck erhöht, einen wirklich überzeugenden Film abliefern zu müssen?
Tommy Krappweis: Nicht wirklich. Ich erinnere mich aber noch gut, wie Martin Moszkowicz, der Chef von Constantin Film, mir in unserem ersten Gespräch, ich zitiere: „Don’t fuck it up!“, sagte. Im Prinzip ist der Film ja mein Kino-Erstlingswerk. Ich habe zwar 14 Jahre lang ohne Ende Fernsehen gedreht und mit der „Pro 7 Märchenstunde“ schon gezeigt, dass man mit moderaten Möglichkeiten etwas drehen kann, was filmische Qualität hat. Wir hatten da pro Folge nur neun Tage Drehzeit, was vorsichtig gesagt „eine Herausforderung“ ist. Dank dem tollen Team von der Rat Pack, die das damals produziert hat und unserer gemeinsamen Top-Motivation, hat das trotzdem super ausgesehen. Viele von den Leuten, die mit mir dort durch die Spaß-Hölle gegangen sind, sind jetzt auch beim Kinofilm wieder dabei. Der Druck wurde nie richtig groß, weil ich für jedes Department die besten Leute bekommen habe, die ich mir hätte wünschen können. Alle verfügen über sehr viel Kino-Erfahrung. Was ich inszenieren und wie ich die Schauspieler führen will, weiß ich. Da ist auch egal, wie groß der Chip in der Kamera ist. Das bleibt einfach das Gleiche. Insofern hatte ich, wenn es um VFX, Kamera oder so etwas geht, einfach große Hilfe. Ich muss es ja nicht filmen, sondern nur wissen, was ich mir vorstelle und das dann mit dem Kameramann besprechen. Wir hatten in allen Bereichen fantastische Leute. Nervös bin ich nur, wenn wir den Film vor mehreren Menschen zeigen. So war es gestern hier auf der Veranstaltung, was Gott sei Dank mehr als gut gelaufen ist. Besucher haben mir erzählt, dass sie geweint haben, weil der Film so nah an der Vorlage bleibt. Nicht, dass ich irgendjemanden mit meinem Film zu weinen bringen möchte. Trotzdem ist das eine tolle Sache. Letztens war ein Family & Friends-Test-Screening, vor dem ich auch sehr nervös war. Wir haben dann aber fantastische Rückmeldungen von den Fragebögen bekommen. Es gab eine Weiterempfehlungs-Quote von 93%. Das ist total irre. Ich bin gespannt, wie es beim großen Screening wird.
LWR: Ein Beispiel für das starke Team ist da sicherlich John Nugent (Anm. der Red. auch bei uns im Interview), der hier auf der HobbitCon ebenfalls anwesend ist. Was hat der zum Film beigetragen?
Tommy Krappweis: Der leistet zum Beispiel seinen Beitrag, indem er sagt: „Das ist ja alles schon ganz nett, geht aber noch viel, viel besser.“ Dann zeigt er, wie es besser geht und wenn es dann besser ist, sagt er: „So, das geht aber noch viel besser. Wenn hier beim Lindwurm etwas Staub aufgewirbelt wird, wenn der mit seiner Flosse auf den Boden tapst, sieht das noch viel toller aus.“ Wenn das dann erledigt ist, sagen wir wirklich alle „Das sieht aber toll aus.“, woraufhin er antwortet „Ja, es ist aber zu wenig und muss ein bisschen weiter nach links.“ Wir haben schon wirklich tolle Leute im Compositing und in der 3D, aber wenn John mit seiner Hollywood-Messlatte ansetzt, schiebt er uns bis zum Aller-äußersten. Dinge, bei denen ich und viele Leute aus der VFX sagen würden „Das sieht schon sehr geil aus.“: Erst wenn wir seine Comments durchgearbeitet haben, ist es wirklich exzellent. Dann wirkt es, als ob wir ein Budget von 40 Millionen gehabt hätten. Das ist einfach großartig.
LWR: Du hattest einen bunt gemischten Cast. Mit Lilian Prent gab es eine sehr junge Hauptdarstellerin. Daneben etablierte Größen wie Jan Josef Liefers, Heino Ferch und Christoph Maria Herbst. Wie hat die Mischung funktioniert und wie war die Arbeit mit den Schauspielern?
Tommy Krappweis: Die meisten kannte ich ja schon vorher. Mit Jan Josef Liefers haben wir schon bei „RTL Samstag Nacht“ gedreht. Christoph Maria Herbst kenne ich schon sehr lange. Der hat ja noch vor seinem großen „Stromberg“-Durchbruch bei „Bernd, das Brot“ als Robin Hood mitgespielt. Er war da schon exzellent. Mir ist mal aufgefallen, dass ich glaube ich der Einzige bin, der ihn Chris nennt. Das hat er zumindest mal gesagt. Insofern war das sehr entspannt, da mir alle auch vertrauen, dass ich das schon machen werde. Sie wissen, ich mache das schon etwas länger und schaffe es auch meistens, etwas hinzubekommen, was man sich gut ansehen kann. Nur die Arbeitsweise unterscheidet sich. Der Christoph Maria Herbst hatte sich als Loki genau an den Text zu halten, weil es so eine verschwurbelte, historisierende Sprache ist. Er hat das ganz professionell gemacht. Der Jan Josef Liefers holt den Text immer neu irgendwo aus seinem Innersten her, formuliert den leicht um und zeigt immer wieder ein bisschen was Neues. Das ist für unsere junge Hauptdarstellerin Lilli auch eine Herausforderung gewesen, die sie aber ganz toll gemeistert hat. Sie war da ein echter Glücksfall, da sie in beiden Arten des Schauspiels aus dem Bauch heraus funktioniert. Die einzige Herausforderung für mich war es dann im Schnitt, die vielen verschiedenen Ansätze von Jan Josef Liefers wieder zu einem großen Ganzen zusammen zu schneiden. Auch das ist uns gelungen. Denn jeder seiner Takes hat etwas, das sich lohnt, gesehen zu werden.
LWR: Wenn ich zu Ostern ins Kino gehe (geplanter Start ist der 02.04.15): Was erwartet mich, wenn ich mir eine Karte für den Film hole?
Tommy Krappweis: Du wirst einen Film sehen – dass kann ich mit Sicherheit sagen, da es auch in den Auswertungen abgefragt wurde – der als äußerst originell eingestuft wird. Dabei meine ich nicht nur originell bezüglich des Humors, sondern auch wegen der Erzählweise. Bei diesem Film weißt du – obwohl es Fantasy ist – nicht, was in den nächsten fünf Minuten passiert. Es ist nicht „Nimm den Ring und schmeiß ihn ins Feuer“, obwohl ich vor allem diese drei Filme liebe. Es ist auch nicht „Das ist der Böse. Besiege ihn.“ Sondern es geht um ein Mädchen, das keine Ahnung hat, was hier eigentlich los ist. Wir finden mit ihr gemeinsam heraus. „Was passiert hier? Wer bin ich? Warum ausgerechnet ich? Ich brauche Hilfe, woher bekomme ich die? Oh, der hat ein Schwert, dann nehme ich den.“ Es gibt in der Mitte des Filmes eine radikale Wendung. Wir tun alles, um die Leute zu überraschen und bei der Stange zu halten und gleichzeitig eine emotionale Geschichte zu erzählen, die hoffentlich an den richtigen Stellen zu Tränen rühren kann. Dazu haben wir die vielleicht beeindruckendsten Effekte, die man bisher in einer deutschen Fantasy-Produktion gesehen hat. Das ist es, was ich gerne möchte. Und ich habe im Moment den Eindruck, dass wir auf einem guten Weg sind.