Pedro Almodóvar ist der zeitgenössische Regisseur des spanischen Films und wird auch außerhalb seines Landes weltweit beachtet und gefeiert. Bei seinen erfolgreichen Filmen führt er nicht nur Regie, sondern schreibt auch gleich die Drehbücher selbst. “Volver – Zurückkehren”, “La Mala Educación – Schlechte Erziehung” oder “Alles über meine Mutter” sind Almodovar’sche Klassiker, die wohl jeder Filmbegeisterte kennt. Doch was vielen Kinogängern hierzulande nicht bewusst ist: Almodóvar macht seit über 30 Jahren Filme. So sehr er sich auch gerne treu bleibt und Handlungsstränge wie Totschlag, ausschweifendes Sexualverhalten und Homosexualität/Transsexualität immer wieder aufnimmt, szenisch sind seine frühen Filme der 1980er um einiges poppiger, um nicht zu sagen trashiger, als die heutigen. Almodóvar geht immer mit der Zeit und in den 80ern gab es nunmal andere Geschichten über Spanien zu erzählen als heute: Die “Movida” hatte gerade begonnen, Spanien war erwacht und begann, sich den Staub des überkommenen franquistischen Regimes von den Schulterpolstern zu klopfen. Feiern und Ausschweifungen waren damals an der Tagesordnung und gehörten zum guten Ton.
Eine Familie zwischen Franquismus und modernem Aufbruch
In dieser Zeit, in der die Jugend sich anschickte, die Regeln des ehemaligen autoritären Regimes zu brechen und in der die Erwachsenen nicht recht wussten, was sie mit der jungen Demokratie und mit Werten wie Freiheit und Selbstverwirklichung anfangen sollten, spielt “Womit habe ich das verdient”, Almodóvars vierter Film aus dem Jahr 1984.
Im Zentrum der Handlung steht Gloria (Carmen Maura, Almodóvars erste schauspielerische Dauerbesetzung, die zuletzt in “Volver” stark gealtert die totgeglaubte und auferstandene Mutter spielte). Gloria ist eine frustrierte
Ehefrau, der alles misslingt und der nichts vergönnt ist. Sie ist so arm, dass sie ihren schwulen Sohn Miguel (Miguel Ángel Herranz) an einen pädophilen Zahnarzt verkauft, um wenigstens einen Mund weniger zum Stopfen zu haben, was nur einen von vielen tragikomischen Momenten bei Almodóvar darstellt. Außerdem schnüffelt sie Putzmittel und Klebstoff, weil sie sich kaum “echte” Drogen leisten kann. Glorias Mann Antonio (Ángel de Andrés López) benutzt sie sexuell statt sie zu befriedigen und selbst ein Fremder, mit dem sie in einer öffentlichen Dusche einen Quickie hat, kann ihr keinen Genuss verschaffen. Sie sehnt sich nach wahrer Begierde, nach Luxus, nach einem Lockenstab (der den ersehnten Phallus symbolisiert), kurzum: nach all dem, was ihre Freundin und Nachbarin Cristal (Verónica Forqué, spielte auch in Almodóvars Film “Kika”) besitzt. Die aber ist genau deswegen hauptberuflich Prostituierte, was für Gloria ein Tabu darstellt, denn ihr Mann predigt ihr den urfranquitischen Wert der decencia, Anstand.
Mein Mann, der Diktator
Doch Almodóvar wäre nicht Almodóvar, wenn er Antonios Unfähigkeit siegen lassen würde. Männer – sofern sie nicht homosexuell sind – verkörpern bei ihm das Böse, sie sind von Grund auf schlecht und verdorben, quälen und malträtieren ihre Frauen. Dies ist auch der eigenen Kindheitserfahrung des Regisseurs geschuldet, dessen Vater den spanischen Machismus pflegte und somit das negative Männerbild im Kino Almodóvars entscheidend prägte. Da Franco im Entstehungsjahr von “Womit habe ich das verdient?” bereits seit 9 Jahren tot war und die spanische Demokratie aufblühte, muss sich Glorias Schicksal in die eine oder andere Richtung ändern, das statische Bild des
ehemaligen autoritären Regimes muss durchbrochen werden. Dabei hält das Ende des Films einige Überraschungen bereit, um diese Misere zu beenden.
Szenisch wird Glorias Leid als Hausfrau durch die abgedunkelte Wohnung unterstrichen, die beklemmt und einengt. Ein dunkles Verlies, in dem es für Gloria keine Freiheiten und keine Freude gibt. Außerdem wird sie mit Kameras gefilmt, die in den Haushaltsgeräten wie der Waschmaschine oder dem Kühlschrank installiert zu sein scheinen. Somit wird Gloria zum Gerät selbst degradiert. Abgerundet wird diese hoffnungslose Stimmung durch Elemente des italienischen Neorealismus, so etwa die melancholische Musik, die gleich den Grundtenor des Films anzeigt oder das Abfilmen der riesigen Plattenbauten, in denen tausende Menschen wohnen, deren Leben vermutlich genauso trübselig ist wie das von Gloria. Hier ist die spanische Movida noch nicht angekommen. Womit haben sie das nur verdient?
Der Film ist ein frühes Meisterwerk Almodóvars, das in seiner Qualität erst voll zu erkennen ist, wenn man sich mit der modernen Psycho- und Sexualanalyse Jacques Lacans beschäftigt. So oft man sich den Film auch ansehen mag, bei jeder Betrachtung kommen neue Details zum Vorschein, die die eigentliche Handlung komplettieren. Almodóvars Arbeit ist komplex und schafft den Spagat zwischen Massenunterhaltung und vielschichtiger Filmkomposition.
5 von 5 Punkten
Ein deutscher Trailer steht für diesen Film leider nicht zur Verfügung. Die Bilder des Films sprechen jedoch auch in der spanischen Version für sich:
Quelle: El Deseo, Youtube
Womit habe ich das verdient?
Originaltitel: | ¿Qué he hecho yo para merecer esto!! |
Regie: | Pedro Almodóvar |
Darsteller: | Carmen Maura, Ángel de Andrés López, Verónica Forqué, |
Genre: | Tragikomödie |
Produktionsland/-jahr: | Spanien, 1984 |
Verleih: | Universum Film |
FSK: | ab 16 Jahren |