Inhalt: Seit ihrem Wegzug aus Wien leben die Zwillinge Lukas (Lukas Schwarz) und Elias (Elias Schwarz) mit ihrer Mutter (Susanne Wüst) in einem großen Haus, das ebenso abgelegen wie idyllisch ist. Nach einer Gesichts-Operation musste die Mutter einige Zeit im Krankenhaus verbringen, weswegen sich ihr Nachwuchs jetzt sehr auf ihre Heimkehr freut. Doch die Euphorie ist bald verschwunden. Ist die strenge Frau mit dem bandagierten Gesicht überhaupt ihre Mutter? Sie verhält sich so anders und verlangt von Elias und Lukas merkwürdige Dinge. Bald sind die beiden überzeugt, dass eine Fremde vor ihnen steht. So bieten sie der Frau, die eigentlich ihre größte Vertrauensperson sein sollte, die Stirn.
Kritik: Wenn die Kinogänger nach Genre-Erfolgen aus Österreich gefragt werden, dürfte bei den meisten sofort „Funny Games“ von Michael Haneke in den Sinn kommen. Dieser Film von Veronika Franz und Severin Fiala, die gemeinsam Regie und Drehbuch übernommen haben, atmet auf jeden Fall auch den Geist Hanekes. Mit ihrer Vision konnten die beiden keinen geringeren als Ulrich Seidl, den Regisseur der „Paradies“-Trilogie überzeugen, der als Produzent einstieg. In der Anfangsphase des Filmes erschließt sich diese Entscheidung noch nicht. Mit einer schönen, aber sehr stilisierten Bildwahl und einem getragenen Erzähl-Tempo erscheint „Ich seh, ich seh“ zunächst wie ein mäßig unterhaltsamer Beitrag aus dem Arthouse-Bereich. Dieser Eindruck täuscht aber gewaltig. Franz und Filla kreieren eine fast überzogen verträumte, sichere Welt, die sie dann bald demaskieren.
Es reicht die wachsende Unsicherheit der jungen Protagonisten, um eine ungeheure Spannung aufkommen zu lassen. Wenn die Zwillinge sich dann bald ihrer Identität nicht mehr sicher sind und auch der Zuschauer nicht weiß, ob die Bestrafung durch die Mutter eine Erziehungsmaßnahme oder ein Akt von Sadismus ist, wird der Film beklemmend. Zum dritten Akt zünden die Macher eine weitere Stufe und lassen den Horror-Thriller nicht nur mental sondern auch physisch wirklich hart werden. So entwickelt sich der künstlerisch angehauchte Familienfilm zu einem fesselnden Erlebnis, das bis zu einer intelligenten Schluss-Pointe nicht abebbt.
Die Zwillingsbrüder Lukas und Elias Schwarz leisten Außergewöhnliches, um diesen Film so treffend werden zu lassen. Es ist spürbar, dass hier wirkliche Brüder vor der Kamera standen, die trotz gelegentlicher Streitereien immer zusammenhalten. Diese Glaubwürdigkeit sorgt auch bei ihren Ängsten und Zweifeln dafür, dass der Zuschauer unabhängig vom Alter mit ihnen fühlt. Ebenso stark spielt Susanne Wuest, die lange Zeit nur mit sehr eingeschränkter Mimik agieren kann und schon dadurch zum großen, gruseligen Mysterium wird. Die Wechsel von Zuneigung, Ärger und dem Ignorieren der Kinder wird von ihr makellos umgesetzt.
Am Ende bleibt ein ungewöhnlicher Film, der die meisten Zuschauer sprachlos zurücklassen dürfte. Nach einem Start, der die meisten Horrorfans wohl eher verwundern wird, entsteht eine Geschichte, der unter die Haut geht. Weit entfernt von der Welt von Jumpscare und Co. ist es die beunruhigende Idee von zwei einsamen Kindern, die „Ich seh, ich seh“ ausmacht. Dieses unkonventionelle, verstörende Werk ist auch rein handwerklich ein Husarenstück des Genre-Kinos, das sich in allen Belangen Anerkennung verdient.
Der Film ist ab dem 22.10.2015 auf DVD und Blu-ray erhältlich.
4 von 5 Punkten
Bild: Die kühle, etwas sterile Optik geht teilweise zu Lasten der Bildqualität. Schärfe und Detaildarstellung sind bei der kontrastarmen Umsetzung im Mittelfeld einzuordnen. Die Farbgebung ist ordentlich, aber tendenziell etwas zu hell. Auch der Schwarzwert hätte kräftiger sein können. Ernsthafte Fehler gibt es in dem sauberen, ruhigen Bild aber nicht.
3 von 5 Punkten
Ton: Die deutsche DTS-HD MA 5.1-Tonspur wird den Erwartungen gerecht. Die Dialoge kommen immer gut verständlich aus dem Center. Räumliche Geräusche gibt es fast nur, wenn die Jungs draußen unterwegs sind. Auch die musikalischen Einlagen wurden gut abgemischt. Große Effekte gibt es in diesem zumeist kammerspielartigen Film nicht.
3,5 von 5 Punkten
Extras: Ein Interview mit den Regisseuren (13 Minuten), ein kurzes, aber durchaus sehenswertes Making of (9 Minuten), ein paar Deleted Scenes (8 Minuten) und das kleine Featurette „Casting“ (2 Minuten) komplettieren zusätzlich zu einigen Trailern die Blu-ray.
2,5 von 5 Punkten
Gesamt: 3,5 von 5 Punkten
Quelle: Koch Media, Leinwandreporter TV, YouTube
Ich seh, ich seh
Originaltitel: | Ich seh, ich seh |
Regie: | Severin Fiala, Veronika Franz |
Darsteller: | Susanne Wuest, Lukas Schwarz, Elias Schwarz |
Genre: | Thriller, Horror |
Produktionsland/-jahr: | Österreich, 2014 |
Verleih: | Koch Media |
Länge: | 99 Minuten |
FSK: | ab 16 Jahren |
Verfasst von Thomas.
Zuletzt geändert am 22.10.2015
Ich seh, ich seh (Blu-ray)