Uwe Boll – ein Name der polarisiert. Für einige ist er der „schlechteste Filmemacher aller Zeiten“, es gab sogar Petitionen, die ein Berufsverbot für ihn forderten. Im Gegenzug sammelten aber auch andere Unterschriften, um Boll zu unterstützen. Er ist vor laufender Kamera mit Kritikern in den Ring gestiegen und hat sich zuletzt noch mit dem Publikum aufgrund eines gescheiterten Kickstarter-Projekts angelegt. Auch wenn es viele nicht so sehen möchten, ist Boll international gesehen einer der bekanntesten Regisseure Deutschlands geworden. Vor allem in seiner Wahlheimat Kanada hat es der Wermelskirchener auf mittlerweile 33 Credits als Regisseur gebracht. Mehr sollen es nicht mehr werden.
Aufgrund eines kleiner werdenden Marktes und hohen Verlusten hat er sich dazu entschlossen, von nun an ein Leben als Restaurantbesitzer in Vancouver zu führen. In seiner Karriere hat er sicherlich furchterregend schreckliche Filme gedreht, die vor allem aus der Videospiel-Zeit stammen. Danach gab es eine andere Seite von ihm: Uwe Boll, der Wutbürger. Der Mann war nie ein Leisetreter, was er auch in seinen späteren Werken deutlich zeigte. Natürlich sind Filme wie „Auschwitz“ recht plakativ und weit entfernt von subtil. Sie zeigen aber, dass hier jemand seine Möglichkeiten und seinen Einfluss nutzen möchte, um auf Missstände hinzuweisen.
Dann gibt es Filme wie „Darfur“ und „Rampage“, die als Mainstream-Produktion nie funktioniert hätten. Wäre das Label „Boll“ nicht so ein feststehender Begriff für schlechtes Kino geworden, hätten wohl noch viel mehr Leute konstatiert, dass diese zornigen, verstörenden Filme tatsächlich ziemlich gut und treffend sind. So war es auch Bolls dringendes Bedürfnis, die Geschichte des jungen Bill Williamson (stark: Brendan Fletcher), der sich eines Tages mit Kevlar-Montur und halbautomatischen Waffen auf einen gewaltigen Amoklauf begibt, noch zu Ende zu erzählen.
Natürlich ist Williamson nicht nur eine Art Alter Ego Bolls, sondern wohl auch der interessanteste Charakter, den der Filmemacher in seiner Laufbahn entwickelt hat. In seinem finalen Akt „Rampage: President Down“ lässt Boll seinen Protagonisten gleich einmal die Regierungsspitze der USA ermorden. Im Scala-Kino in Leverkusen, in dem Boll in seiner Jugend gearbeitet hat, hat er den Film nun vorgestellt. In Anwesenheit von Familie und Freunden des Regisseurs zeigte er sich zutiefst entspannt.
Im Gespräch berichtete er offen über die kommerziellen Gründe, die ihn am Ende zum aufhören bewegt haben. Dabei ging er auch explizit auf die Problematik der Streamingdienste für Low Budget-Filmer wie ihn ein: „Wenn Netflix eigene Produktionen erstellt, nehmen sie ihr ganzes Budget dafür in die Hand. Für Filme von außerhalb bleibt da nicht mehr viel Geld. Wenn sie mir 50.000 US-Dollar für die Exklusiv-Rechte anbieten, kann ich damit natürlich keine Produktion refinanzieren. Im Gegenzug wird aber natürlich auch der Markt für DVDs und Blu-rays durch diese Angebote kleiner.“
Dennoch bleibt Boll der Filmbranche noch weiter erhalten: „Meine Produktions-Firma wird weiterhin bestehen und Projekte annehmen. Dazu kommt jetzt ja auch mein eigener Streamingdienst Bollflix, bei dem die Zuschauer für kleines Geld meine Filme samt Bonusmaterial sehen können. Allerdings ist Deutschland eines der letzten Länder, wo es noch rechtliche Probleme wegen der Umsetzung gibt. Ich denke, dass ist jetzt der richtige Schritt, da es mir auch zu anstrengend wäre, wie ein Martin Scorsese in so hohem Alter noch am Set zu stehen. Natürlich mache ich mir Gedanken, ob ich bei Leuten wie Trump nicht großartiges filmisches Material verpasse, doch damit kann ich wohl leben.“
Danach berichtete er noch gewohnt offen von positiven Erscheinungen seiner Karriere wie Michael Paré und Dominic Purcell, die er als absolute Profis und inzwischen gute Freunde bezeichnete. Im Gegenzug hätte er auch Leute wie Tara Reid und Michael Madsen erlebt, auf deren zukünftige Gesellschaft er nicht besonders viel gibt.
In seinem letzten Film wird offensichtlich, dass er noch einmal alles, was ihn stört und belastet, aus seinem System heraus haben wollte. Schon zu Beginn des im Januar gedrehten Films zeigt er einen Terroranschlag in Deutschland, der fatale Folgen hat. Der titelgebende Mord geschieht abseits der Kameras. Viel mehr lässt Boll seinen charismatischen Helden über das System wüten. Das geschieht gewohnt rabiat und grenzt mehr als einmal an Geschwätzigkeit. Daneben fällt auf, dass er durch recht häufigen Einsatz von Stock Footage aus den Vorgängerfilmen die Kosten wohl ein wenig drücken wollte.
Das einzig wirklich störende Element bleibt aber die deplatzierte Liebesgeschichte von Williamson und seiner kleinen Familie, die erstaunlich viel Raum einnimmt. Ansonsten gibt es die erwartete Kost: Ein erstaunlich gut vernetzter Massenmörder spielt Katz- und Maus mit der Polizei, lässt seinen Zorn verbal ab, lässt seinen Zorn sehr physisch ab. Der Film erreicht zwar nicht mehr den Biss des ersten Teils, entschädigt aber vor allem in einem augenzwinkernden Finale, wo Boll noch so einige Stars, Sternchen und Industrielle den Weg allen Fleisches gehen lässt.
Nun ist sie also vorbei, die Karriere des Regisseurs Uwe Boll. Egal von welcher Seite man es betrachtet, war Boll eine ungewöhnliche Erscheinung seiner Generation, der mit Lautstärke und Holzhammer-Inszenierung viele Leute zur Weißglut getrieben hat, aber so konsequent gegen den Strom schwimmt, dass er dafür ein gewisses Maß an Anerkennung verdient.
Der Film erscheint am 14.10.2016 auf DVD und Blu-ray.
Quelle: Splendid Film, YouTube
Mehr Informationen findet ihr auf der Seite von Splendid Film
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