Inhalt: Schon früh haben die Schwestern Lale (Güneş Nezihe Şensoy), Nur (Doğa Zeynep Doğuşlu), Ece (Elit İşcan), Selma (Tuğba Sunguroğlu) und Sonay (İlayda Akdoğan) ihre Eltern verloren. Seitdem leben sie bei ihrem Onkel Erol (Ayberk Pekcan), der sie mit strenger, aber liebevoller Hand erzieht. Noch ahnen sie nicht, dass ein kleiner Ausflug an den Strand mit ein paar Jungen ihr ganzes Leben auf den Kopf stellen soll. Aus Angst, dass die Mädchen ihre Jungfräulichkeit verlieren und so Schande über die Familie bringen könnten, beginnt Erol, sie in den eigenen vier Wänden einzusperren. Während sie zu reinen Arbeitssklaven umfunktioniert werden, sucht der Onkel Männer, an die er die Schwestern verheiraten kann. Doch die jungen Frauen denken nicht daran, sich von den widrigen Lebensbedingungen unterkriegen zu lassen. Sie beginnen, sich gegen die gnadenlosen Regeln zur Wehr zu setzen.
Kritik: Gerade erst musste sich die türkisch-französisch-deutsche Co-Produktion im Rennen um den Auslands-Oscar ganz knapp dem ungarischen Beitrag „Son of Saul“ geschlagen geben. Dennoch ist Regisseurin Deniz Gamze Ergüven, die in Cannes für diesen Film ausgezeichnet wurde, ein durchaus eindrucksvolles Debüt gelungen. Schon in der frühen Phase stellt sie die Extreme in der türkischen Gesellschaft gekonnt gegenüber. Während die Geschwister nachvollziehbar unbedarft ihre Jugend genießen und sich dabei nichts zu Schulden kommen lassen, werden sie von Onkel und Großmutter im Sinne der Tradition gemaßregelt. Das Traurige an dieser Situation ist vor allem das Selbstverständnis, mit dem die jungen Frauen hier ihrer Menschenrechte beraubt werden. Ergüven versucht gar nicht, den Finger mahnend zu heben, was die komplette Situation umso eindringlicher macht.
Ein weiterer Glücksfall für den Film sind die leichteren Momente, in denen das deprimierende Grundgerüst der Geschichte etwas abgefedert wird. Wenn sich die jungen Frauen gegen ihr Schicksal auflehnen und das, was ihnen vom Leben geblieben ist, genießen, ist „Mustang“ hoffnungsvoll und positiv. Beispielsweise ist die Freundschaft von Lale zu einem, vom Berliner Schauspieler Burak Yigit äußerst sympathisch verkörperten Obsthändler, eine wirklich schöne Randgeschichte. Dafür gibt es Momente, die sich in andere Richtung besonders einprägen: So wird eine der Frauen nach ihrer Heirat von der bewaffneten Verwandtschaft ins Krankenhaus gebracht, um die Jungfräulichkeit testen zu lassen. Es ist ein kleiner Augenblick, in dem die Krankenschwester realisiert, um was es für die Frau geht, der auch die Zuschauer schlucken lässt. Darstellerisch liefert vor allem die zum Drehzeitpunkt erst 13 Jahre alte Güneş Nezihe Şensoy, die Familienküken Lale spielt, eine authentische und starke Leistung. Aber auch ansonsten weiß die Besetzung zu überzeugen.
Es ist kein Zufall, dass „Mustang“ einen derartigen Triumphzug über die internationalen Festivals hingelegt hat. Der Film verweist unaufdringlich auf eine immer noch sehr reale Problematik und erzählt dabei eine packende Familiengeschichte, die fast durchgängig den richtigen Ton trifft. Auch wenn dem Film die höchste Krönung verwehrt wurde, kann zu diesem Ergebnis nur gratuliert werden.
4 von 5 Punkten
Quelle: Weltkino, Leinwandreporter TV, YouTube
Mustang
Originaltitel: | Mustang |
Regie: | Deniz Gamze Ergüven |
Sprecher: | Güneş Nezihe Şensoy, Doğa Zeynep Doğuşlu, Elit İşcan |
Genre: | Drama |
Produktionsland/-jahr: | Türkei , Frankreich , Deutschland, 2015 |
Verleih: | Weltkino |
Länge: 97 Minuten | FSK: ab 12 Jahren |
Kinostart: | 25.02.2016 |