Inhalt: Im London der 1950er-Jahre versuchen alle Damen der gehobenen Gesellschaft, die über das nötige Kleingeld verfügen, sich von dem Designer Reynolds Woodcock (Daniel Day-Lewis). Zwischenmenschlich ist Reynolds eher verschroben, unnahbar und neurotisch, aber seine Kreationen sprechen für sich selbst. Seine strenge Schwester Cyril (Lesley Manville, „Ein Abenteuer in Raum und Zeit“) sorgt mit harter, aber liebevoller Hand dafür, dass das „House of Woodcock“ floriert. Eines Tages lernt Reynolds dann die deutlich jüngere Kellnerin Alma (Vicky Krieps, „A Most Wanted Man“) kennen, zu der er sich sofort hingezogen fühlt. Die Frau wird seine Geliebte und Muse und zieht schon bald bei ihm ein. Die aufgeschlossene Frau sieht aber gar nicht ein, sich immer hinter den Bedürfnissen ihres Partners anzustellen. So gerät das sorgsam austarierte Leben von Reynolds langsam aus den Fugen.
Kritik: Seit den frühen 1980er-Jahren ist der Ire Daniel Day-Lewis im Schauspielgeschäft unterwegs. Während seiner gesamten Laufbahn hat er aber nur sehr ausgewählte Rollen angenommen, denen er sich als bekennender Fan des Method Actings dann vollauf verschrieben hat. Ihm gelang es als einziger Schauspieler überhaupt, gleich drei Mal („Mein linker Fuß“, „There Will Be Blood“ und „Lincoln“) den Oscar als „Bester Hauptdarsteller“ mit nach Hause zu nehmen. Im vergangenen Jahr überraschte 60-Jährige dann mit der Aussage, dass er sich komplett aus der Schauspielerei zurückzieht. Seine Abschiedsvorstellung sollte diese erneute Zusammenarbeit mit Paul Thomas Anderson werden. Schon vor der Award-Saison war somit klar, dass „Der seidene Faden“ mit dieser finalen Kooperation dieser zwei Jury-Lieblinge wohl zu einer durchaus beeindruckenden Preissammlung kommen wird.
Wenig überraschend erfüllte sich die Voraussage und brachte dem Film unter anderem sechs Oscar-Nominierungen und die (hochverdiente) Auszeichnung für die Kostüme ein. Bei all den Abschiedsworten und Vorschusslorbeeren scheinen die Verantwortlichen aber vergessen zu haben, einen guten Film zu drehen. „Der seidene Faden“ sieht absolut fantastisch aus. Ausstattung, Farbgebung und Kameraarbeit dürften wahren Cineasten ein Lächeln auf das Gesicht zaubern.
Das intensive Psychogramm, das sich um die Bilder entfalten soll, funktioniert aber nicht wirklich. Der gewollte Blick unter die Oberfläche einer aufs Äußerliche bedachten Welt ist weder spannend noch fesselnd. Die beiden Protagonisten sind unsympathische Zeitgenossen, die aber auch nicht interessant genug sind, um ihnen wirklich 130 Minuten folgen zu wollen. Es gibt immer wieder Phasen und Ideen, wo sich die durchaus großen Möglichkeiten der Geschichte auftun. Diese müssen dann aber bald dem nächsten gemeinsamen Essen der Charaktere weichen, das mit eher blasierten Dialogen untermalt wird. Auf diese Art wirkt das ganze Geschehen stellenweise erstaunlich steril.
Selbstverständlich ist Daniel Day-Lewis auch hier wieder einmal gut und schafft es, seiner Figur so viele Facetten wie möglich abzugewinnen. Die Nominierungs- und Preisflut, die er abermals erhalten hat – und für die deutlich denkwürdigere Auftritte des Jahres unberücksichtigt blieben – darf wohl eher als Würdigung seiner Laufbahn verstanden werden. An seiner Seite bekommt die Luxemburgerin Vicky Krieps die anspruchsvolle Aufgabe, gegen ein derartiges Schwergewicht zu bestehen. Das meistert sie mit einer angenehmen und durchaus erstaunlichen Leinwandpräsenz. Ihr monotoner Zeilenvortrag wirkt aber ziemlich irritierend. Dieser scheint auf Entscheidungen aus der Regie rückführbar zu sein, auch wenn sich diese nicht wirklich erschließen wollen. Der heimliche Star des Filmes ist Lesley Manville. Als omnipräsente Schwester ist sie das Herz einer oft sonderbaren Geschichte und drückt jeder Szene ihren Stempel auf.
Nun ist die Karriere von Daniel Day-Lewis vorbei. Mit einem überzeugenden Auftritt als exzentrischer Designer beendet er eine Ausnahmelaufbahn. Leider nehmen weder sein Part noch der Film an sich Spitzenplätze in seiner Filmographie ein. Am Ende ist der zauberhaft gefilmte „Der seidene Faden“ doch mehr mit dem porträtierten Metier zu vergleichen, als ihm selbst klar sein dürfte: Es bleibt mehr Schein als Sein.
Der Film ist ab dem 07.06.2018 auf DVD und Blu-ray erhältlich.
3 von 5 Punkten
Bild: Der Film sieht außergewöhnlich aus. Es gelingt, eine vornehme, distanzierte Blässe und die satte, farbenfrohe Modewelt zu kombinieren, was dem Film visuell wirklich Charakter verleiht. Schärfe und Detaildarstellung schwanken zwischen gut und sehr gut. Kontraste und Schwarzwert sind bewusst nicht besonders knackig ausgefallen, erfüllen aber immer ihren Zweck. Erwähnenswerte Fehler oder Unruhen sind nicht aufgefallen.
4,5 von 5 Punkten
Ton: Während die englische Originalversion in einer DTS X 7.1-Abmischung vorliegt, müssen sich Zuschauer der Synchronfassung mit einer DTS 5.1-Vertonung begnügen. Tatsächlich wirkt die englische Version etwas klarer, präziser und prägnanter. Aber auch die 5.1-Fassung holt fast alles aus den gegebenen Möglichkeiten. So sind die zentralen Dialoge immer gut priorisiert und klar verständlich. Der vielleicht interessanteste Aspekt sind die akustisch betonten Alltagsgeräusche (zum Beispiel schmieren eines Brotes), die Reynolds so viel Nerven kosten. Dazu sprechen die Hintergrundgeräusche im Haus und der Score die äußeren Boxen recht ordentlich mit an.
4 von 5 Punkten
Extras: Drei kurze Featurettes (insgesamt 14 Minuten), eine Foto-Galerie und ein paar Trailer komplettieren die Blu-ray.
2 von 5 Punkten
Gesamt: 3 von 5 Punkten
Quelle: Universal Pictures Germany, Leinwandreporter TV, YouTube
Originaltitel: | Phantom Thread |
Regie: | Paul Thomas Anderson |
Darsteller: | Daniel Day-Lewis, Lesley Manville, Vicky Krieps |
Genre: | Drama |
Produktionsland/-jahr: | USA, 2017 |
Verleih: | Universal Pictures Germany |
Länge: | 130 Minuten |
FSK: | ab 6 Jahren |
Mehr Informationen findet ihr auf der Seite von Universal Pictures
Zuletzt geändert am 05.06.2018
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