Inhalt: Die Deutsche Nini (Flora Li Thiemann) und Jameelah (Emily Kusche), die aus dem Irak stammt, leben im Berliner Plattenbau und sind seit Jahren die besten Freundinnen. Während Nini von ihren Eltern vernachlässigt wird und sich in der Schule hängen lässt, sammelt Jameelah Top-Noten, um ihre Chancen bei der Einbürgerung zu verbessern. Nachmittags ist das unzertrennliche Duo immer auf der Suche nach neuen Abenteuern. Betankt mit ihrem Lieblingsgetränk Tigermilch – einer Mischung von Milch, Maracuja-Saft und Weinbrand – provozieren die beiden Passanten, lassen Kleinigkeiten aus Läden mitgehen, oder ziehen Freier am Straßenstrich auf.
In den Sommerferien unternehmen die Freundinnen allein schon mehr, da die Entscheidung über Jameelahs Einbürgerung kurz bevorsteht. Als erstes Ziel der Ferien wollen die beiden ihre Jungfräulichkeit verlieren. Doch die beiden Traumtypen aus ihrer Schule sind gar nicht so leicht zu beeindrucken. So schleichen sich Nini und Jameelah in der Nacht vor die Tür, um mit einem Liebeszauber höhere Mächte einzubeziehen. Was sie stattdessen am Spielplatz ihrer Wahl erleben, sorgt dafür, dass die Freundschaft der beiden auf eine harte Belastungsprobe gestellt wird.
Kritik: Basierend auf einem Roman von Stefanie de Velasco hat Ute Wieland dieses Jugenddrama geschrieben und danach noch selbst verfilmt. Das Endergebnis dürfte vielleicht die positive Kino-Überraschung unter den einheimische Produktionen des vergangenen Jahres gewesen sein. Gerade auf dem Feld einer sehr natürlichen Coming of Age-Geschichte gibt es zahllose Möglichkeiten, das erzählerische Unterfangen scheitern zu lassen. Eine überzuckerte Feelgood-Geschichte? Soziale Probleme mit dem erhobenen Zeigefinger dem Zuschauer offenbaren? Eine Mischung von beidem? Wieland gelingt hier genau die richtige Kombination. Die Hauptfiguren sind authentische Teenager aus schwierigen Verhältnissen, die mit Entdecker-Lust in ihren Alltag eintauchen. Natürlich treffen sie dabei gute und schlechte Entscheidungen. So versteht sich, dass zwei 14-Jährige nicht zwingend Zeit auf dem Straßenstrich verbringen und auf täglicher Basis Weinbrand konsumieren sollten.
Doch Jugendliche sind Jugendliche, um genau diese Grenzen auszutesten. Der vorzüglich betitelte „Tigermilch“ lässt seinen beiden Protagonistinnen genau den Spielraum, den sie brauchen. Auch wenn der Weg von Jameelah und Nini (hoffentlich) etwas schwerer als bei den meisten Altersgenossen sind, bleiben beide Figuren so nahbar und sympathisch, dass der Zuschauer gerne mit ihnen durch gute und schlechte Zeiten geht.
Das liegt auch an den Leistungen der starken Hauptdarstellerinnen Flora Li Thiemann und Emily Kusche, die Präsenz und eine tolle Chemie miteinander haben. Ihnen gelingt es, die so wichtige Authentizität der Figuren immer glaubwürdig zu transportieren. Gleiches gilt für David Ali, der Amir, den Nachbar und besten Freund von den Mädchen, spielt. Namhafte Darsteller wie Thorsten Merten („Kohlhaas oder die Verhältnismäßigkeit der Mittel“), Ludwig Trepte („Deutschland 83“) und Heiko Pinkowski („Schrotten!“) halten sich angemessen zurück.
Auch wenn schwere Themen wie mögliche Deportation oder Ehrenmord angesprochen werden, verhebt der Film sich nicht und bleibt seinem Ton treu. Das wird vollbracht, ohne dabei moralinsauer zu wirken oder das Geschehen zu banalisieren. „Tigermilch“ ist einer dieser Filme, die sich einfach „echt“ anfühlen. Hier werden zwei Figuren gezeigt, die sich ihrem Alter entsprechend verhalten. So darf der Zuschauer in den entspannten Momenten mit ihnen lachen und entspannen. Im Gegenzug tun die Szenen, in denen Jameelah und Nini in Probleme geraten, stellenweise wirklich weh. Hier gelingt es ohne spürbare Anstrengung, einen durchaus anspruchsvollen Film ebenso aufrichtig wie unterhaltsam zu verpacken, weswegen das Endergebnis absolut sehenswert ist.
Der Film ist ab dem 18.01.2018 auf DVD und Blu-ray erhältlich.
4 von 5 Punkten
Bild: Der Film kommt meistens in warmen, kräftigen Farben, die – mit der Ausnahme von ein paar stilistischen Entscheidungen – immer natürlich aussehen. Schärfe und Detaildarstellung sind bei den ruhigen, hellen Szenen sehr gut. In ein paar hektischen Momenten und bei den Nachtsequenzen müssen kleine Abstriche gemacht werden. Kontraste und Schwarzwert lassen keinen großen Kritikpunkt zu. Die dunkleren Szenen zeigen öfters ein leichtes Rauschen. Ansonsten ist der Film sauber und ruhig präsentiert worden.
4 von 5 Punkten
Ton: Der deutsche DTS-HD 5.1-Ton bietet einen verlustlosen Sound, der sich aber zu großen Teilen im Frontbereich abspielt. Die Dialoge sind ganz klar priorisiert und wirken immer natürlich. Bei einer Szene, wo die Protagonistinnen auf einer Party unterwegs sind, sorgt die elektronische Musik für harte Bässe und reichlich räumliche Aktivität. Hier könnte es dann doch zu leichten Problemen bei der Dialogverständlichkeit kommen. Ansonsten beziehen ein paar Hintergrundgeräusche (beispielsweise im Freibad) und weitere Musikstücke die äußeren Boxen gelegentlich mit ein. Im Rahmen der Möglichkeiten eines Jugenddramas ist das Endergebnis ordentlich ausgefallen.
3,5 von 5 Punkten
Extras: Ein kurzer „Hinter den Kulissen“-Beitrag (4 Minuten), ein paar Interviews mit Cast und Crew (28 Minuten), eine Reihe von entfernten Szenen (16 Minuten), ein Musik-Video (3 Minuten) mit dazugehörigem Making of (3 Minuten) und eine Trailershow ergänzen die Blu-ray.
2,5 von 5 Punkten
Gesamt: 3,5 von 5 Punkten
Quelle: Constantin Film, Leinwandreporter TV, YouTube
Tigermilch
Originaltitel: | Tigermilch |
Regie: | Ute Wieland |
Darsteller: | Flora Li Thiemann, Emily Kusche, Narges Rashidi, David Ali Rashed, Luna Zimic Mijovic, Eva Löbau, Emil Belton, Thorsten Merten |
Genre: | Drama |
Produktionsland/-jahr: | Deutschland, 2017 |
Verleih: | Constantin Film |
Länge: | 106 Minuten |
FSK: | ab 12 Jahren |
Mehr Informationen findet ihr auf der Seite von Constantin Film
Verfasst von Thomas.
Zuletzt geändert am 28.01.2018
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