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Review: Tote Mädchen lügen nicht Staffel 2 (Netflix)

Das Hauptplakat zu “Tote Mädchen lügen nicht Staffel 2” (© 2018 Netflix)

Inhalt: Es sind inzwischen fünf Monate vergangen, seitdem sich die 17 Jahre alte Hannah Baker (Katherine Langford) das Leben genommen hat. Obwohl Clay (Dylan Minnette, „Don’t Breathe“) sich bei seiner Freundin Skye (Sosie Bacon) wirklich wohl fühlt, hat er seiner Trauer noch längst nicht verarbeitet. Alex Standall (Miles Heizer) hat immer noch mit den körperlichen und emotionalen Folgen seines Selbstmordversuchs zu kämpfen. Jessica (Alisha Boe, „68 Kill“) kämpft mit dem Trauma der Vergewaltigung durch den beliebten, wohlhabenden Sportler Bryce Walker (Justin Prentice), dessen Identität sie weiterhin nicht preisgeben möchten. Gemeinsam versuchen Jessica und Alex ihre Rückkehr an die Liberty Highschool. Doch der Alltag ist noch ein ganzes Stück entfernt, da Hannahs Mutter Olivia (Kate Walsh, „The Secret Man“) sich nicht mit einem Vergleich mit der Schule rund um die Versäumnisse beim Tod ihrer Tochter abfinden möchte.

So kommt es zu einem Gerichtsprozess, in dem sich alle Beteiligten noch einmal mit den fürchterlichen Ereignissen auseinandersetzen müssen. Während Leute wie Bryce und Schulsprecher Marcus Cole (Steven Silver) Angst um die eigene Zukunft bekommen, erhalten andere wie Außenseiter Tyler (Devin Druid, „Imperium“) und Vertrauenslehrer Kevin Porter (Derek Luke, „Self/less – Der Fremde in mir“) die Möglichkeit, sich ihren Fehlern zu stellen.

Kritik: Als im vergangen Jahr die Bestseller-Adaption „Tote Mädchen lügen nicht“ von Showrunner Brian Yorkey veröffentlicht wurde, hätte wohl kaum jemand – trotz des zentralen Teenager-Selbstmords – die extreme Kontroverse erwartet. Die Serie wurde für einige Zeit zu einem der meistdiskutierten Themen in den sozialen Medien überhaupt. Während viele die Produktion für ihren kompromisslosen Umgang mit Inhalten wie Mobbing, Vergewaltigung und Selbstmord (und schlicht als handwerklich gut erzählte Serie) lobten, kritisierten andere die verstörende Darstellung der gewalttätigen Elemente und die mögliche Auswirkung auf selbst gefährdete Jugendliche. Tatsächlich war das Gezeigte somit der „Conversation Starter“, der es sein sollte, auch wenn die Bereitschaft des Publikums, gewisse Inhalte zu reflektieren, etwas überfordert wurde. So lässt sich auch erklären, weshalb ein großer Preis wie die Emmy Awards die Qualitäten der Serie geflissentlich ignorierte.

Clay hat den Verlust von Hannah noch längst nicht verkraftet (© 2018 Netflix)

Als dann im Zuge des Erfolgs der (eigentlich abgeschlossenen und mit keiner zweiten Buchvorlage ausgestatteten) Serie eine weitere Staffel angekündigt wurde, waren einige Leute ein wenig verwundert. Doch Yorkey und sein Team rechtfertigen das Vertrauen zu großen Teilen. Mit Warnhinweisen, Zusatzprogrammen und einer themenrelevanten Webseite bieten sie zusätzlichen Kontext zu Verarbeitung der Inhalte. Während es gerade die Rohheit und die Ecken und Kanten waren, die das erste Jahr so außergewöhnlich gemacht haben, ist hier doch eine etwas höhere Kompromissbereitschaft der Macher spürbar. Selbst wenn weitere wichtige Themen wie das Umfeld einer sehr existenten Rape Culture, Waffengewalt an Schulen oder Drogenmissbrauch in die Handlung eingearbeitet werden, fühlt sich das Ergebnis nur manchmal so effektiv und aufrüttelnd wie im Vorgänger an. Dennoch bleibt die Serie mutig und konsequent genug, um eine wirkliche Auseinandersetzung stattfinden zu lassen.

Jessica steckt in einer hochemotionalen Zwickmühle (© 2018 Netflix)

Abgesehen von der Schwere, die auf den zentralen Themen lastet, ist „Tote Mädchen lügen nicht“ auch in Staffel 2 erstaunlich kurzweilig, rasant und gleitet fast nie in bedeutungsschwangere oder oberlehrerhafte Bereiche ab. Das Herzstück sind dabei die nahbaren, glaubhaften und intelligent gespielten Charaktere. Natürlich bleiben Dylan Minnette und Katherine Langford im Mittelpunkt des Interesses. Minnette spielt einen immer noch verzweifelten Clay in der späteren Phase seiner Trauer, der nach Auswegen für seine Wut und Enttäuschung sucht. Langford hat die nicht ganz einfache Aufgabe, in den Erinnerungen der verschiedenen Charaktere immer eine leicht verschiedene Hannah zu spielen. Selbst wenn beide abermals ihre Aufgaben gut meistern, darf darüber diskutiert werden, ob die Entscheidung, die Charaktere imaginäre Unterhaltungen führen zu lassen, wirklich richtig war.

Davon abgesehen bekommen viele andere Charaktere die Möglichkeit, sich in dieser Staffel intensiv weiterzuentwickeln. Ein Sonderlob verdient sich hier Kate Walsh, die als zornige Mutter von Hannah ein unglaublich intensives und glaubhaftes Pensum abliefert. Auch Alisha Boe und Miles Heizer, deren Charaktere mit ihren eigenen Traumata umgehen müssen, verdienen sich für ihre couragierten und nuancierten Auftritte Respekt. Derek Luke, an dessen Beratungslehrer Kevin Porter viele Verfehlungen im modernen Schulsystem festgemacht wurden, durchlebt mit seinem Charakter ein radikale Transformation, die in einer der besten Episoden der Staffel gipfelt.

Mr. Porter und Bryce haben Redebedarf (© 2018 Netflix)

Brandon Flynn, der als drogensüchtiger Justin ein unerwartet enges Verhältnis mit Clay aufbaut und Devin Druid, dessen Sonderling Tyler einen Platz im Leben sucht, sind weitere Darsteller, die durchaus auf Preisniveau agieren. Ross Butler bekommt als herzensgute Sportskanone Zach, der sich eigentlich nur aus Schwierigkeiten heraushalten möchte, deutlich mehr zu tun.

Die Stärken einer gelungenen Figurenzeichnung lassen sich aber vielleicht sogar am besten an dem von Justin Prentice exzellent verkörperten Bryce Walker fest machen. In vielen Fällen wäre die Figur des arroganten, reichen, beliebten Sportlers mit zu viel Macht und soziopathischen Tendenzen ein rein böser Antagonist geworden. Durch einen verstörenden, aber vielschichtigen Auftritt von Prentice und eine gut ausgearbeitete Familiengeschichte wird verständlich, weshalb diese Person sich auf diese Art entwickelt hat, ohne die Taten irgendwie zu beschönigen. Von den neuen Darstellern hinterlässt vor allem Anne Winters einen bleibenden Eindruck. Sie spielt die stolze Freundin von Bryce, die sich bald damit auseinandersetzen muss, in wen sie sich verliebt hat.

Selbst wenn ein wenig der Biss des Vorjahres abhanden gekommen ist und erzählerisch/stilistisch ein paar zweifelhafte Entscheidungen getroffen werden, ist „Tote Mädchen lügen nicht Staffel 2“ weiterhin ungewöhnliche Serien-Unterhaltung. Rund um eine der besten Ensemble-Leistungen im aktuellen Fernsehen wird eine nachvollziehbare Auseinandersetzung mit schwierigen Themen ermöglicht. Die Macher scheuen sich auch weiterhin nicht davor, unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Da es der Serie weiterhin gelingt, dem Publikum auf angemessene Weise Gedankenanstöße mit auf den Weg zu geben, ändern auch die vorhandenen Probleme nichts daran, dass dieses zweite Jahr sehenswert ist.

Die zweite Staffel der Serie ist ab dem 18.05.2018 im Programm von Netflix zu sehen.

4 von 5 Punkten


Quelle: Netflix, YouTube

Tote Mädchen lügen nicht - Staffel 2

Originaltitel:13 Reasons Why - Season 2
Regisseur:Brian Yorkey
Darsteller:Katherine Langford, Christian Navarro, Alisha Boe, Miles Heizer, Dylan Minette
Genre:Drama/Mystery-Serie
Produktionsland/-jahr:USA, 2018
Verleih:Netflix
Länge:13 x 55 Minuten
FSK:ab 16 Jahren

Mehr Informationen findet ihr auf der Seite von Netflix

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Verfasst von Thomas.

Zuletzt geändert am 21.05.2018
Review: Tote Mädchen lügen nicht Staffel 2

Thomas

"Alle bleiben cool! DU - bleib cool!" (Seth Gecko,"From dusk till dawn")

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