Inhalt: Auf den ersten Blick ist Hunter (Haley Bennett, „Hardcore“) echt zu beneiden: Sie lebt mit ihrem durchtrainierten, erfolgreichen Mann Richie (Austin Stowell, „Battle of the Sexes“), der gerade den Vorsitz des millionenschweren Familienunternehmens übernommen hat, in einem gigantischen Haus direkt am Hudson River. Sie hat den ganzen Tag Zeit, sich dem idyllischen Garten und ihrer Kunst zu widmen. Doch Richie ist ein ziemlicher Kontrollfreak, wodurch sich die eigenen vier Wände zum goldenen Käfig wandeln. Als Hunter dann schwanger wird, verspürt sie auf einmal den unkontrollierbaren Drang, Dinge zu verschlingen, die wahrlich nicht für den Verzehr geeignet sind. Diese Obsession wird immer gefährlicher. Nachdem sie von Ehemann und Schwiegereltern erwischt wird, beginnen diese, Hunter auf Schritt und Tritt überwachen zu lassen. Die junge Frau ist gezwungen, sich mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen, um die immer mehr eskalierende Situation zu retten.
Kritik: Carlo Mirabella-Davis ist seit einigen Jahren in der Filmbranche unterwegs und hat bereits mit Dokumentationen und Kurzfilmen auf sich aufmerksam gemacht. Für sein Spielfilm-Debüt als Autor und Regisseur hat er sich ein durchaus kurioses Setting ausgesucht, das tatsächlich in der Realität verankert ist und lose auf dem Leben seiner Großmutter basiert (siehe Extras). Für eine bessere Visualisierung hat Mirabella-Davis das Pica-Syndrom, eine Essstörung, bei der die erkrankte Person ungenießbare und gefährliche Gegenstände konsumiert, zum Zentrum seiner Geschichte gemacht. Wer jetzt bizarren Body-Horror und comichafte Überspitzungen erwartet, wird bei „Swallow“ nicht glücklich werden. Viel mehr gibt es ein zweifelsohne unkonventionelles und schräges, dabei aber immer überraschend geerdetes Charakterdrama mit ein paar Thriller-Elementen.
Dabei hat der Film einen derart eigenen Look und Stil, dass man sich der Atmosphäre kaum entziehen und der Hauptfigur auf ihrem Weg bedingungslos folgen möchte. Das vielleicht größte Kunststück in „Swallow“ ist die empathische Art, mit der die durchaus bizarren Lebensumstände von Hunter behandelt werden. Obwohl der Film stellenweise sehr verspielt wirkt, verzichtet man auf (prätentiösen) Symbolismus und Deutungsebenen. Über den vielen interessanten Aspekten, die der Film zu bieten hat, thront aber eine Karriere-Bestleistung von Haley Bennett. Als sichtlich traumatisierte Frau, die es mit aufgesetztem Lächeln stets all ihren Mitmenschen recht machen möchte, sich aber immer mehr in Richtung innerer und sehr realer Abgründe bewegt, ist die schöne Amerikanerin restlos faszinierend.
An ihrer Seite trägt Austin Stowell als gut meinender, aber herrischer und herablassender Ehemann einen wichtigen Teil zum Gelingen der Prämisse bei. Elizabeth Marvel („Begabt – Die Gleichung eines Lebens“) und David Rasche („Flug 93“) als arrogante Schwiegereltern sowie Denis O’Hare („The Postcard Killings“) und Lauren Velez („Oz – Hölle hinter Gittern“) in weiteren Nebenrollen komplettieren den namhaften Cast von „Swallow“.
Selbst wenn nicht alles funktioniert und der Film bei einigen Zuschauern aufgrund enttäuschter Erwartungen durchfallen wird, ist Carlo Mirabella-Davis ein bemerkenswertes Langfilmdebüt gelungen. „Swallow“ ist ein optisch wie inhaltlich bewusst eigenartiges Werk, das mit einem Blick für den eigenen Kern und einer preiswürdigen Haley Bennett zum aufrichtig guten Film wird.
Der Film ist ab dem 26.11.2020 auf DVD, Blu-ray und digital erhältlich.
4 von 5 Punkten
Bild: Auch optisch ist „Swallow“ auf gute Art eigen. Es werden extrem viele Nahaufnahmen – speziell von Hunters „Mahlzeiten“ – gezeigt, die immer scharf und detailreich wirken. Auch der Rest des Films liefert diesbezüglich (zumindest) brauchbare Qualität. Der Film nutzt satte Rot-, Blau- und Grün-Töne als Stilmittel. Insgesamt wird ein farblich konsistenter Look geboten. Kontraste und Schwarzwert offenbaren keine nennenswerten Probleme. Abgesehen von kleineren Unsauberkeiten ist die Präsentation wirklich ordentlich ausgefallen.
4 von 5 Punkten
Ton: Der deutsche und der englische DTS-HD MA 5.1-Ton sind ziemlich subtil, aber für die Bedürfnisse nahezu ideal. Die Dialogwiedergabe ist prima und nutzt wenn nötig sogar eine gewisse Räumlichkeit. Hintergrundgeräusche werden klug eingesetzt, um die Atmosphäre des Geschehens zu stärken. Auch die Musik wurde gut abgemischt. Selbst wenn die Vertonung mangels großer Effekte nicht denkwürdig ist, liefert sie im Rahmen von „Swallow“ qualitativ einen echten Mehrwert.
4,5 von 5 Punkten
Extras: Ein kurzes Interview mit Regisseur Carlo Mirabella-Davis (4 Minuten) sowie eine Bildergalerie und ein paar Trailer bleiben der einzige Bonus der Blu-ray.
2 von 5 Punkten
Gesamt: 4 von 5 Punkten
Quelle: Koch Films, YouTube
Originaltitel: | Swallow |
Regie: | Carlo Mirabella-Davis |
Darsteller: | Haley Bennett, Austin Stowell, David Rasche, Denis O'Hare |
Genre: | Thriller, Drama |
Produktionsland/-jahr: | USA,2019 |
Verleih: | Koch Films |
Länge: | 95 Minuten |
FSK: | ab 16 Jahren |
Mehr Informationen findet ihr auf der Seite von Koch Films
Verfasst von Thomas.
Zuletzt geändert am 26.11.2020
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Laut eines bekannten Filmwissenschaftlers gehört "Swallow" für ihn zu den zehn besten Filmen des Jahres. Und nicht zuletzt aufgrund deiner positiven Besprechung werde ich mir gerne die Blu-ray dieses Films zulegen - ich bin sehr gespannt.
Das freut mich. "Swallow" ist gerade für experimentierfreudige Publikum ein Muss. Der schafft es irgendwie auf faszinierende Weise, gleichzeitig weniger und mehr zu sein, als man erwarten würde. Gepaart mit einem tollen Look und einer überirdischen Leistung von Haley Bennett kann ich dem Filmwissenschaftler nicht widersprechen. Würde mich freuen, wenn du Bescheid gibst, wie dir der FIlm gefallen hat.