Inhalt: Alles kleines Kind ist Billi Wang (Awkwafina, „Ocean’s 8“) mit ihren Eltern von China nach New York gezogen. Inzwischen ist sie 30 Jahre alt, Single und bringt trotz künstlerischer Begabung kaum Geld nach Hause. Die einzige Bindung in die alte Heimat hat sie zu ihrer Großmutter Nai Nai (Zhao Shuzhen), mit der sie weiterhin eng im Kontakt steht. Deshalb wird sie aus allen Wolken gerissen, als sie erfährt, dass die heißgeliebte Oma unheilbar an Lungenkrebs erkrankt ist. Es gibt nur eine Person in der Familie, die nicht über die Krankheit informiert wird: Nai Nai höchstselbst. Viel mehr will die Verwandtschaft die eilig einberufene Hochzeit von Billis Cousin Hao Hao (Han Chen) dazu nutzen, vor Ort noch ein paar schöne Tage mit der Familienpatriarchin zu verbringen. Während Billi als eingefleischte Amerikanerin sehr damit zu kämpfen hat, ein derart weitreichendes Geheimnis vor einem geliebten Menschen zu verbergen, lernt sie immer mehr über unterschiedliche kulturelle Sichtweisen in alter und neuer Heimat.
Kritik: „Andere Länder, andere Sitten“ – das wäre wohl die sehr vereinfachte Sichtweise, um diese autobiografische Tragikomödie von Autorin und Regisseurin Lulu Wang zu beschreiben. In einem Film, der schnell zur hochtrabenden und moralinsauren Geschichte oder schlicht zum eigenwilligen Melodrama verkommen wäre, bekommt der Zuschauer einen einfühlsam präsentierten Einblick in ein ungewöhnliches Dilemma, bei dem sich cleverer Witz und aufrichtige Emotionalität die Wage halten. Gemeinsam mit Protagonistin Billi taucht der Zuschauer in eine Situation ein, die sich zunächst einmal schräg und falsch anfühlt. Erst mit der Zeit lernt Publikum und Hauptfigur, weshalb diese vollkommen andere Weltsicht vielleicht gar nicht so verkehrt ist.
Dabei ist besonders beeindruckend, wie leichtfüßig „The Farewell“ seine Thematik angeht. Ob es jetzt bittersüße Momente, mitreißende Streitereien, lockere Späße oder die global bekannte Anspannung ist, wenn die komplette Verwandtschaft an einem Tisch sitzt: Der Film blickt nachvollziehbar über den Tellerrand hinaus und bietet zur gleichen Zeit unglaublich sympathische Unterhaltung. Darüber hinaus sieht die Tragikomödie fantastisch aus. Vom intimen Close-Up bis zur Panoramaaufnahme der verfallen Häuserreihen findet der Film bei seiner geerdeten Thematik durchweg optische Besonderheiten.
Das vielleicht herausragende Element von „The Farewell“ ist aber Awkwafina. Die bislang fast ausschließlich für brachiale Comedy-Rollen bekannte Hauptdarstellerin führt den Zuschauer durch den Film, ist dabei spritzig und witzig, dreht aber gerade bei den dramatischen Momenten dieser anspruchsvollen Rolle auf. Es war nur folgerichtig, dass ihre Glanzleistung bei den Golden Globes ausgezeichnet wurde. Zhao Shuzhen ist als lebensfrohe und durchsetzungsstarke Nai Nai, die noch keine Ahnung von ihrem düsteren Schicksal hat, ebenso erstklassig. Allgemein kann man das Werk als starken Ensemblefilm bezeichnen.
„The Farewell“ ist eine echte Entdeckung. In einem anüsanten, berührenden, schick anzusehenden und höchst unterhaltsamen Film, der von einer überragenden Awkwafina getragen wird, bekommt der (westliche) Zuschauer eine spannend andere Sicht auf ein sehr komplexes Thema präsentiert – Indie-Kino auf absolutem Topniveau.
Ab dem 17.04.2020 auf DVD undBlu-ray erhältlich.
4,5 von 5 Punkten
Da bei der Sichtung nur ein Stream (und kein physisches Medium) zur Verfügung stand, sind keine Aussagen zu Bild, Ton und Extras möglich.
Quelle: DCM, YouTube
The Farewell
Originaltitel: | The Farewell |
Regie: | Lulu Wang |
Darsteller: | X Mayo, Awkwafina, Zhao Shuzhen |
Genre: | Drama, Komödie |
Produktionsland/-jahr: | China, 2019 |
Verleih: | DCM |
Länge: | 101 Minuten |
FSK: | ab 12 Jahren |
Mehr Informationen findet ihr auf der Seite von DCM
Verfasst von Thomas.
Zuletzt geändert am 08.04.2020
Review: The Farewell (Heimkino)