Das Artwork von “Heels” (© 2021 Starzplay)

Mike O’Malley (54) ist eines dieser Gesichter, das wohl jeder Film- und Serienfan schon einmal gesehen hat – auch wenn nicht jede Person sofort auf den Namen kommen würde. Nachdem er in den späten 90ern als Titeldarsteller der kurzlebigen Comedy-Serie „Alles Roger“ (1996-1997) sowie mit Nebenrollen in prominenten Produktion wie „Deep Impact“ (1998) und „Turbulenzen – und andere Katastrophen“ (1999) erste Erfolge feiern durfte, gelang ihm mit „Yes, Dear“ (2000-2006), wo er 122 Mal den verantwortungslosen Familienvater Jimmy Hughes verkörperte, der Durchbruch. Über die Jahre tauchte der wandelbare Darsteller immer wieder in bekannten Serien („Justified“, „The Good Place“) und Filmen („Erschütternde Wahrheit“, „Sully“) auf. Seine international wohl bekannteste Rolle bekleidete in „Glee“, wo sechs Jahre lang als Burt Hummel – Vater von Hauptfigur Kurt (Chris Colfe) – zu sehen war. Aktuell gehört er in der Netflix-Serie „Snowpiercer“ als Sam Roche zur Stammbesetzung.

Zuletzt zog es O’Malley auch immer häufiger hinter die Kamera. Nachdem er bei der Hit-Serie „Shameless“ vier Jahre (2011-2014) als Consulting Producer und Autor mitgewirkt hatte, übernahm er in der Basketball-Comedy „Survivor’s Remorse“ (2014-2017), die er entwickelte, zu guten Teilen schrieb und gemeinsam mit Basketball-Superstar LeBron James produzierte, noch mehr kreative Verantwortung. Mit dem Wrestling-Drama „Heels“, in dem zwei ungleiche Brüder (gespielt von Stephen Amell und Alexander Ludwig) im und neben dem Ring aneinander geraten, feiert er nun sein Debüt als Showrunner. Im Rahmen der Serie, die ab dem 15.08.2021 in Deutschland bei dem Streaming-Anbieter Starzplay debütiert, stand Mike O’Malley für Interviews zur Verfügung. Im Gespräch mit Leinwandreporter Thomas hat er über seinen beruflichen Seitenwechsel, die Faszination der sportlichen Inhalte, die Schwierigkeiten, eine sehr körperbetonte Serie in Coronazeiten zu drehen und weitere Themen rund um „Heels“ gesprochen.

 

 

LWR: Als einfachen Anfang: Um was geht es in „Heels“?

“Heels”-Showrunner und Interviewpartner Mike O’Malley (© Lionsgate Entertainment)

Mike O’Malley: „Heels“ ist die Geschichte eines selbstständig tätigen Wrestling-Veranstalters in einer Kleinstadt in Georgia. Es geht schon mehr in die Richtung einer Theatergruppe – junge Schauspieler, die davon träumen, berühmt zu werden. Bei uns sind es eben Wrestler, die die große Karriere vor Augen haben. Was müssen sie machen, wenn sie dieses Ziel erreichen möchten? Die Schauspieler stehen auf der Bühne, die Kämpfer eben im Ring. In unserer Geschichte geht es auch darum, wie dieses Event an sich und im Mikrokosmos der Kleinstadt funktioniert. Die Veranstaltung ist in dem kleinen Örtchen natürlich eine Art Mittelpunkt des Geschehens, da sich dort alle Leute im Publikum treffen. Darüber hinaus bietet das Wrestling den Kreativen eine Möglichkeit, sich zu entwickeln und auszuleben.

LWR: Der Titel „Heels“ ist mir sofort ins Auge gesprungen. Was bedeutet „Heels“ im Kontext der Serie?

Mike O’Malley: Ich weiß nicht, wo der Begriff „Heel“ wirklich her kommt. Als „Heel“ bist du ein böser Bube. Es ist ein Slang-Begriff, der als fieser Typ oder Gegenspieler übersetzt werden kann. Die Person denkt überhaupt nicht an andere Leute, ist extrem egoistisch, immer auf den eigenen Vorteil bedacht, absolut unzuverlässig. Das müsste einen „Heel“ ziemlich gut beschreiben. Beim Wrestling ist es nicht viel anders wie bei einem alten Western: Der gute Kerl trägt den hellen Hut, der Fiesling den dunklen Hut und einen Schnauzer, den er genüsslich verdreht (O’Malley zupft am eigenen Schnauzbart). Wrestling ist ein ganz einfaches Gut gegen Böse. Dabei passiert es aber häufig, dass die Bösen, sprich die „Heels“, gewinnen.

LWR: Nach vielen Jahren vor der Kamera hast du zuletzt immer mehr andere Jobs wie Produzent, Autor und jetzt Showrunner ausgefüllt. Hat sich das einfach mit der Zeit ergeben oder war das ein Plan, den du schon länger verfolgt hast?

Stephen Amell und Alexander Ludwig sind die Spade-Brüder (© 2021 Starzplay)

Mike O’Malley: Wenn man ein Gesicht wie meins hat, ist einem schon klar, dass da nicht die Angebote für die Rollen eines George Clooney reinkommen. Da musst du deine Zeit anders verplanen (lacht). Ganz ehrlich: Ich liebe die Schauspielerei. Geschrieben habe ich auch immer gern, da ich mich so wirklich ausdrücken und verwirklichen konnte. Wenn du spielst, kannst du bloß die Zeilen aufsagen, die für dich geschrieben worden sind. Ich erzähle gerne Geschichten, mache gerne Filme und schreibe gerne Stücke. Als ich dann Vater geworden bin, wollte ich mich umorientieren. Wenn du schauspielerst, musst du das am Drehort tun. Mit kleinen Kindern wollte ich da für ein bisschen mehr Bodenständigkeit sorgen. Ich wurde älter und verbrachte meine Nächte in Hotelzimmern in den verschiedensten Ecken des Landes und der Welt. Das ist nicht mehr so mein Ding. Mit der Schreiberei hatte ich außerdem immer etwas zwischen den Schauspieljobs zu tun.

LWR: Wenn du nur auf deine Autorentätigkeit guckst: War da die Corona-Pandemie für dich irgendwo sogar ein versteckter Glücksfall?

Mike O’Malley: Das ist echt interessant. Zu Beginn der Pandemie schrieb ich wie der Teufel an „Heels“. Ich hatte ein Gefühl, dass die Drehbücher echt gut werden mussten, damit die Show gemacht wird. Inaktivität im Showbusiness ist furchtbar. Die Entscheidungsträger lehnen sich zurück und sagen: „Wir haben noch einmal darüber nachgedacht. Das wollen wir jetzt doch nicht machen.“ So eine Situation wollte ich mit aller Macht verhindern. Im Lockdown hatte ich die Zeit, wirklich in die Materie einzutauchen, ohne mich um andere Verpflichtungen zu kümmern. Du weißt, was ich meine: Du musst mit den Kids irgendwohin, du hast Termine, bist verabredet, besuchst die Eltern. Wenn du in deinem Haus festsitzt und erst einmal alles ausgemistet hast, was du schon lange loswerden wolltest, bleibt nur noch eine Sache: Du setzt dich hin und arbeitest. Das ist der positive Aspekt. Es gibt aber auch eine negative Seite: Die Ausrede, aufgrund Zeitmangel die Arbeit nicht geschafft zu haben, fällt weg.

LWR: Wo wir gerade beim Thema der Pandemie sind: „Heels“ ist eine sehr physische, körperbetonte Serie. Wie habt ihr die Arbeit unter Beachtung der Coronaregeln umgesetzt bekommen?

Kelli Berglund spielt Crystal, die Freundin von Ace (© Lionsgate Entertainment)

Mike O’Malley: Das war wirklich hart. Wir hatten ein super Produktionsteam, das da ganze Arbeit geleistet hat. Das gilt besonders für unser Stuntteam. Aber wir mussten uns so gut es ging voneinander abgrenzen und isolieren. Unser Line Producer Bill Hill hat sich um den Aufbau dieser riesigen Sporthalle gekümmert. Der hat überall in den USA unser Equipment organisiert und ankarren lassen. Das war ein extrem harter Job. Mitten im Juli/August der Pandemie musste aus einem leeren Studio eine mit Fitness-Ausstattung befüllte Sporthalle wachsen. Allein an das Equipment zu kommen, war eine Herkules-Aufgabe, da sich haufenweise Leute Trainingsgeräte für daheim bestellt haben. Dieses Sportstudio aufzubauen war tatsächlich die größte Herausforderung: Einen glaubhaften Ort entstehen zu lassen, in dem unsere Leute trainieren und in den Ring steigen können.

Die andere Sache bei der Umsetzung einer solchen Show ist natürlich die Quarantäne-Pflicht. Es soll sich ja niemand anstecken. Theoretisch klingt das ja absolut machbar. Selbstverständlich musste du den Abstand wahren und dich isolieren. Von Freunden und Familie getrennt zu sein, ist für viele Personen eine psychologisch extreme Herausforderung. Das hat auch nichts damit zu tun, dass da jemand undankbar wäre oder froh sein sollte, überhaupt gerade einen Job zu haben. Deine Liebsten nicht um dich zu haben, darauf musst du erst einmal klar kommen. Für alle Beteiligten war es eine Herausforderung. Wir haben es zum Glück geschafft, unsere Ziele zu erreichen.

LWR: Der Cast von „Heels“ beinhaltet die aktuell extrem populären Schauspieler Stephen Amell und Alexander Ludwig, bislang eher unbekannte, aber sehr talentierte Leute wie Kelly Berglund und Alison Luff sowie erfahrene Darsteller um Mary McCormack, Chris Bauer und dich. Habt ihr da bewusst nach einer solchen Mischung gesucht oder hat sich das einfach während des Castings ergeben?

Chris Bauer taucht als alter Freund des Vaters im Leben der Brüder auf (© Lionsgate Entertainment)

Mike O’Malley: Das kam halt so zustande. Wir wollten einfach die besten Leute für die Rollen finden und haben da glaube ich einen ganz guten Job gemacht. Stephen Amell und Alexander Ludwig haben sich Ihren Star-Status erarbeitet. Die haben Ihre ganze Erfahrung eingebracht, passten auch physisch zu den Ansprüchen der Parts und haben genug Ähnlichkeit, um als Brüder durchgehen zu können. Die beiden waren die ersten Darsteller, die bei „Heels“ als unsere Zugpferde feststanden. Selbstverständlich mussten Amell und Ludwig nicht vorsprechen. Mit Mary McCormack habe ich früher bereits gearbeitet. Mir war klar, dass sie bei uns perfekt passen würde. Wir haben ihr die Rolle angeboten. Chris Bauer hatte schon bei „Survivor’s Remorse“ mitgespielt. Er ist ein bekannter Schauspieler. Ihn haben wir auch eingeladen. Abgesehen von den vier Leuten musste der Rest vorsprechen. Für die verschiedenen Parts wurden mehrere Kandidaten eingeladen. Nach und nach haben wir unsere Leute und die passende Mischung gefunden. Wir hatten echt Glück. Profi-Sportler wie James Harrison (Anm. d. Red. Spielt den Wrestler Apocalypse) – ein ehemaliger Football-Profi – meldeten sich ebenso wie tolle Charakterdarsteller, die einen großen Erfahrungsschatz aus dem Comedy- und Drama-Bereich mitbrachten. Das waren Leute, die schon am Broadway gespielt haben. Eine super Truppe!

LWR: Du bist in „Heels“ auch vor der Kamera zu sehen. Was ist deine Figur Charlie Gully für ein Typ?

Mike O’Malley: Er ist der Eigentümer eines Angelbedarf-Ladens, der gleichzeitig auch noch Waffen verhökert. Charlie möchte um jeden Preis als Wrestling-Veranstalter erfolgreich sein. Es gibt viele Leute, die andere Jobs machen, aber eigentlich ihre Kunst ausleben möchten. Das ist bei ihm nicht anders. Er ist Jacks Rivale (Anm. d. Red. Stephen Amells Charakter Jack Spade) und würde am liebsten seine komplette Kohle durchs Wrestling verdienen. Dabei nimmt er aber jede Aktion gegen ihn sehr persönlich. Beim Wrestling ist es ja so, dass man Kontrahenten beleidigt, um das Interesse an der eigenen Show und Story zu schüren. Wenn man beim Spaziergang ein Pärchen sieht, bei dem gerade die Fetzen fliegen, erwischt man sich fast automatisch beim Lauschen. Man ist froh, nicht zwischen den Fronten zu stecken, will aber irgendwie wissen, was da abgeht. Charlie Gully weiß, wie das Geschäft läuft. Ich hatte echt viel Spaß, mit meinen „Heels“-Kollegen spielen zu können.

LWR: Und nun zum Abschluss: Warum sollte man sich, selbst wenn man sich nicht für Wrestling interessiert, „Heels“ unbedingt ansehen?

Mary McCormack spielt Willie (© Lionsgate Entertainment)

Mike O’Malley: Wenn du jemals einen Traum hattest, wo dir jeder gesagt hat, dass der unerreichbar ist – beispielsweise als Filmjournalist den Tag mit Interviews zu verbringen – du dich seit deiner Kindheit gefragt hast, wie du dieses Ziel erreichen sollst und du jetzt trotzdem an diesem Wunschpunkt angekommen bist, kannst du hier mitfiebern. Wenn du oder jemand in deiner Familie diesen Wunsch nachempfinden kann, sich kreativ zu verwirklichen oder ein professioneller Sportler zu werden und du einmal hinter die Kulissen blicken möchtest, wie diese Ambitionen aussehen können, wirst du dich sehr schnell in der Serie heimisch fühlen. Die Opferbereitschaft, die man für ein derartiges Ziel mitbringen muss – und damit meine ich nicht nur die reine Zeit, die man dafür aufbringt. Es geht auch sehr darum, wie es dein sonstiges Leben und deine Beziehungen beeinflusst, wenn dieser Traum in weite Ferne rückt. Wenn du als Journalist einen Redakteur hast, der deine Beiträge nicht bringen will oder dir sogar jemanden vor die Nase setzt, würde das dich und deine Liebsten wahrscheinlich auch beeinflussen. Vielleicht würden die Eltern sagen: „Was weiß der Typ schon? Du kannst das! Wir glauben an dich! Thomas, du bist der Beste!“ Du sagst dir aber: „Mein Arbeitgeber sieht das ein wenig anders. Der hält mich sicher nicht für den Besten.“ Wir verlassen uns auf andere Leute, die uns beim Erreichen unserer Wünsche unterstützen. Darauf kann nicht jede Person zählen. Was macht das mit diesen Leuten? „Heels“ ist eine ganz universelle Geschichte. Das Streben nach dem persönlichen Glück ist der eigentliche Kern der Serie.

LWR: Das war doch ein mitreißender Abschluss. Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, mit mir über „Heels“ zu sprechen. Viel Erfolg und alles Gute.

Mike O’Malley: Ich habe zu danken. Bis bald.


Quelle: Starzplay, LeinwandreporterTV, YouTube

Mehr Informationen findet ihr auf der Seite von Starzplay

Verfasst von Thomas.

Zuletzt geändert am 15.08.2021
Mike O’Malley Interview Heels

Thomas

"Alle bleiben cool! DU - bleib cool!" (Seth Gecko,"From dusk till dawn")

Recent Posts

Gewinnspiel La La Land

Die „Best of Cinema“-Reihe, die jeden ersten Dienstag des Monats die Wiederaufführung eines Klassikers verantwortet,…

6 Stunden ago

Review: Love Lies Bleeding (Blu-ray)

Inhalt: Eigentlich möchte Jackie (Katy O’Brian) nur zu einem Bodybuilder-Wettbewerb nach Las Vegas. Übernachtungen im…

3 Tagen ago

Review: Boss Level (Blu-ray)

Inhalt: Eigentlich hatte sich Ex-Elite-Soldat Roy Pulver (Frank Grillo, „Stephanie – Das Böse in ihr“)…

4 Tagen ago

Review: The Last Stop in Yuma County (Mediabook)

Inhalt: Mitten in den 70er-Jahren fährt ein Messervertreter (Jim Cummings) durch die Einöde Arizonas, um…

6 Tagen ago

Review: Longlegs

Inhalt: Seit Jahrzehnten treibt der Serienmörder Longlegs (Nicolas Cage, „Dream Scenario“) in den USA sein…

1 Woche ago

Review: Suburbicon

Inhalt: In den 50er-Jahren ist Suburbicon die nahezu ideale Vorstadt-Siedlung für Familien. Auch Gardner Lodge…

1 Woche ago