Review: Niemand ist bei den Kälbern (Film Festival Cologne)

Christin und Caro träumen von einem besseren Leben (© FILMWELT / Weydemann Bros. / Max Preiss)

Christin und Caro träumen von einem besseren Leben (© FILMWELT / Weydemann Bros. / Max Preiss)

Inhalt: Die Mittzwanzigerin Christin (Saskia Rosendahl, „Mein Ende. Dein Anfang.“) ist gelangweilt. Der Hochsommer in der Einöde Mecklenburg-Vorpommerns hat nicht viel für sie zu bieten. Die Beziehung zu ihrem Freund Jan (Rick Okon), mit dem sie auf dem Hof von dessen Eltern lebt, tröpfelt nur noch vor sich hin. Die Zufallsbekanntschaft zu dem gut 20 Jahre älteren Klaus (Godehard Giese, „Deutschland 83“) weckt in ihr immer mehr Fernweh. Als dann auch noch Christins beste Freundin Caro (Elisa Schlott) verschwindet, hält sie es nicht mehr aus.

 

Kritik: Es gibt diese Filme, die auf dem Papier erst einmal nicht viel zu bieten scheinen. Bei „Niemand ist bei den Kälbern“ dürften wohl nur die Wenigsten während des Lesens der Inhaltsangabe vor Spannung vom Sitz rutschen. Doch das neue Drama von Sabrina Sarabi, das auf einem gleichnamigen Roman von Alina Herbing basiert, hat es in sich. Mit der Schnittigkeit eines Thrillers taucht die Geschichte vom ersten Moment in ein Dasein ein, das von Landlust und Romantik kaum weiter entfernt sein könnte. Zwischen Alltagstrott, betagten Wertevorstellungen, Hoffnungslosigkeit und Alkoholismus zeichnet „Niemand ist bei den Kälbern“ ein ernüchterndes Gesellschaftsbild vor wunderschönen Landschaften. Mit ruhiger Hand entwickelt Sarabi eine atmosphärische Dichte, mit der nicht direkt zu rechnen war.

Christin weiß nicht mehr weiter (© FILMWELT / Weydemann Bros. / Max Preiss)

Christin weiß nicht mehr weiter (© FILMWELT / Weydemann Bros. / Max Preiss)

Die wirkliche Faszination zieht der Film aber aus seiner in jeder Szene vertretenen Hauptfigur. Christin ist ein schwieriger Mensch, die zwischen fehlender Perspektive und dem Terror ihres alkoholkranken Vaters (Andreas Döhler) ein paar wenig liebenswerte Entscheidungen trifft. Aus diesem ausgesprochen wortkargen Charakter eine runde, menschlich interessante Hauptfigur zu machen, der man über fast zwei Stunden folgen möchte, war eine echte Herkulesaufgabe. Die oft gute, hier sensationelle Saskia Rosendahl meistert diesen Part mit einer Präsenz und emotionalen Intelligenz, die einfach bewundernswert ist. Ihre Auszeichnung auf dem Locarno International Film Festival als „Beste Schauspielerin“ ist nur folgerichtig gewesen. An ihrer Seite agiert eine ganze Reihe überzeugender Nebendarsteller um Godehard Giese und Rick Okon.

Der zunächst alltäglich anmutende „Niemand ist bei den Kälbern“ ist eine kluge, einnehmende und überraschend kurzweilige Charakter- und Gesellschaftsstudie, die nicht zuletzt wegen einer der besten Darstellerleistungen des Jahres zum wirklichen Geheimtipp wird.

4 von 5 Punkten


Quelle: Locarno Film Festival, YouTube

Niemand ist bei den Kälbern

Originaltitel:Niemand ist bei den Kälbern
Regie:Sabrina Sarabi
Darsteller:Saskia Rosendahl, Godehard Giese, Rick Okon
Genre:Drama
Produktionsland/-jahr:Deutschland, 2021
Verleih:Filmwelt
Länge:120 Minuten
FSK:tba
Kinostart:20.01.2022

Mehr Informationen findet ihr auf der Seite von Filmwelt

Verfasst von Thomas.

 

Zuletzt geändert am 21.01.2022
Review: Niemand ist bei den Kälbern (Film Festival Cologne)

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