Inhalt: Wenige Jahre nach Ende des zweiten Weltkriegs sitzt der Teenager Siggi Jepsen (Tom Gronau) in einer Besserungsanstalt. Als er bei einem Deutsch-Aufsatz zum Thema „Die Freuden der Pflicht“ keine Zeile zu Papier bringt, wird er in eine Isolationszelle gesteckt, um dort eine längere Ausarbeitung diesbezüglich zu schreiben. So denkt er an sein Kindheit während des Krieges zurück. Als Elfjähriger (jetzt: Levi Eisenblätter, „Das perfekte Geheimnis“) leidet er unter der strengen Erziehung seines Vaters Jens Ole (Ulrich Noethen, „Das Tagebuch der Anne Frank“) – einem Polizisten, für den die Regeln des Staats sein größtes Gut sind. Unterschlupf findet Siggi bei seinem Patenonkel, dem berühmten Maler Max Ludwig Nansen (Tobias Moretti, „Die Hölle – Inferno“). Als die Nationalsozialisten die Malerei verbieten und Jens Ole die Regelung auf Gedeih und Verderb durchsetzen möchte, gerät Siggi in einen massiven Gewissenskonflikt.
Kritik: Der Roman „Deutschstunde“ von Siegfried Lenz aus dem Jahr 1968 liefert eine komplexe Auseinandersetzung mit der Trennlinie zwischen nötiger Pflichterfüllung und Eigenverantwortung für die Ereignisse im Nationalsozialismus. Lenz’ weitreichendes und intelligentes Werk, das universelle (bzw. nationale) Probleme und Fragestellungen rund um gedankenloses Mitläufertum auf die Welt von Hauptfigur Siggi Jepsen herunterbricht, gilt mittlerweile längst als Klassiker. Im Jahr 1971 zeigte die ARD unter der Regie von Peter Beauvais einen (insgesamt 220 Minuten langen) Zweiteiler, der den Stoff adaptierte. Die Geschichte auf 125 Minuten herunterzubrechen und dabei die Inhalte frisch wirken zu lassen ohne Substanz zu verlieren, war eine durchaus harte Aufgabe, der sich Regisseur Christian und Drehbuchautorin Heide Schwochow gestellt haben.
Das Endergebnis ist ein nachdenkliches und treffsicheres Lehrstück aus dem oberen Qualitätsregal, was es schafft, seine Inhalte anschaulich und spannend aufzuarbeiten. So reist der Zuschauer mit dem jungen Siggi durch dieses dunkle Kapitel der deutschen Geschichte und erlebt die Standpunkte des komplett systemtreuen Jens sowie des protestierenden Max. Dabei läuft das packende Charakterstück zu keiner Zeit wirklich Gefahr, bei all seinen komplexen Fakten eine menschliche Erdung aus den Augen zu verlieren. Ein Sonderlob verdient sich dabei Levi Eisenblätter, der in seinen jungen Jahren Dreh- und Angelpunkt des Films ist. Er ergänzt sich hervorragend mit Tom Gronau, dessen ältere, wortkarge Version von Siggi durch die Geschichte führt.
Ulrich Noethen und Tobias Moretti zeigen als langjährige Freunde, die sich an verschiedenen Enden des Gesetzes wiederfinden, was sie für eindrucksvolle Schauspieler sein können. Maria Dragus („Tiger Girl“) und Louis Hofmann („Die Mitte der Welt“) beweisen als große Geschwister von Siggi, weshalb sie zu den spannendsten Talenten ihrer Generation zählen. Johanna Wokalek und Sonja Richter („Follow the Money“) komplettieren als Ehepartner der frisch verfeindeten Streithähne Jens und Max einen durchweg starken Hauptcast.
Christian Schwochows Neuauflage von „Deutschstunde“ ist eine fast durchweg gelungene Interpretation des bekannten Stoffs, die dank einer souveränen Inszenierung, einer fokussierten Erzählweise und sehr guten Darstellern absolut sehenswert ist.
Ab dem 03.04.2020 auf DVD, Blu-ray und im Mediabook erhältlich.
4 von 5 Punkten
Der Film ist ab dem 01.09.2024 im Programm von Amazon Prime Video zu sehen.
Quelle: Capelight Pictures, LeinwandreporterTV, YouTube
Deutschstunde
Originaltitel: | Deutschstunde |
Regie: | Christian Schwochow |
Darsteller: | Ulrich Noethen, Levi Eisenblätter, Tobias Moretti |
Genre: | Drama |
Produktionsland/-jahr: | Deutschland, 2019 |
Verleih: | Capelight Pictures |
Länge: | 125 Minuten |
FSK: | ab 12 Jahren |
Mehr Informationen findet ihr auf der Seite von Capelight Pictures
Verfasst von Thomas.
Zuletzt geändert am 01.09.2024
Review: Deutschstunde (Heimkino)