Inhalt: Ludovic Chevalier (Maxwell McCabe-Lokos) steht für ein unsagbares Verbrechen in Montreal vor Gericht: Er soll in vor laufender Kamera im Dark Web vor zahlendem Publikum drei Mädchen zwischen 13 und 16 Jahren zu Tode gefoltert haben. Das ruhige, disziplinierte Model Kelly-Anne (Juliette Gariépy) gehört zu den wenigen Auserwählten, die den Fall im Saal verfolgen dürfen. Während nächtlicher Übernachtungen vor dem Gerichtsgebäude, die für den Live-Platz ein notwendiges Übel sind, lernt sie die psychisch instabile Clémentine (Laurie Babin) kennen. Obwohl die deutlich jüngere Frau, die für Ludovic schwärmt und ihre obskuren Unschuldsvermutungen in jede sich bietende TV-Kamera brüllt, komplett anders tickt, entsteht eine Freundschaft zwischen den beiden. Während des Falls bricht Kelly-Annes berufliche Lebensgrundlage in sich zusammen. Doch was bewegt die bodenständige, wohlhabende Frau dazu, für eine bizarre Schwärmerei ihre komplette Zukunft zu riskieren?
Kritik: Das Böse fasziniert uns seit jeher. Nicht umsonst sind True-Crime-Geschichten populär wie nie. Drehbuchautor und Regisseur Pascal Plante geht in seinem Thriller-Drama „Red Rooms – Zeugin des Bösen“ noch einen Schritt weiter und taucht in die finstersten Ecken des Internets ein. Dabei beleuchtet er auch die Welt von Frauen, die als Fan-Girls einen brutalen Gewaltverbrecher verehren – wie es erst unlängst in den USA bei dem zum Tode verurteilten Doppelmörder Wade Wilson (der so gar nichts mit einem von Ryan Reynolds gespielten Charakter gemein hat) der Fall war. Doch das sind nur die oberflächlichen Aspekte von einem der ungewöhnlichsten Filme des Jahres. In seiner Anfangsphase folgt die Kamera nur der da noch völlig unbekannten Protagonistin und hört mit ihr den Eröffnungsreden von Staatsanwaltschaft und Verteidigung im Zusammenhang mit dem abscheulichen Verbrechen zu.
Erst nach und nach lernt das Publikum die geheimnisvolle Kelly-Anne kennen, die neben Modeljobs und Gerichtsausflügen noch beachtliche Computerskills bieten kann. Dennoch lebt „Red Rooms“ bis zum Ende von der Frage, was diese komplett im Leben stehende Frau antreibt. Auch dank brillanter Kameraarbeit und einem sehr zielgerichtet eingesetzten Score entwickelt sich ein unglaublich packender und verstörender Film, der einen komplett eigenen Weg geht. Als besonders geschickter Schachzug entpuppt sich die Entscheidung, die scheußlichen Gewaltexzesse nie explizit zu zeigen, sondern über Andeutungen (wie die Reaktion von Figuren auf das Videomaterial) im Kopf des Zuschauers arbeiten zu lassen.
Juliette Gariépy spielt eine sagenhaft interessante Hauptfigur. Ihre Kelly-Anne ist gleichermaßen einnehmend, seltsam und undurchdringlich. Trotz (oder gerade wegen) ihrer Wortkargheit nimmt sie das Publikum auf eine unangenehme Reise von beschriebener Anfangssequenz bis zu einem nahezu perfekten Schlussakt. Dazu bildet sie ein tolles Duo mit Laurie Babin, die als sympathische, aber ziemlich tragische Clémentine das nahbare Gegenstück zu Kelly-Anne bildet.
Wer im Popcorn-Kino zwischen Reboots und Fortsetzungen verzweifelt nach einem Funken Originalität sucht, sollte hier mal einen Blick über den Tellerrand hinaus nach Kanada riskieren. Hervorragend inszeniert, geschrieben und gespielt, entwickelt sich „Red Rooms – Zeugin des Bösen“ zu einem einschneidend-verstörenden Thriller-Drama der ganz anderen Art und einem der besten Genrefilme der letzten Zeit.
4,5 von 5 Punkten
Quelle: 24 Bilder, YouTube
Red Rooms – Zeugin des Bösen
Originaltitel: | Les Chambres Rouge |
Regie: | Pascal Plante |
Darsteller: | Juliette Gariépy, Laurie Babin, Elisabeth Locas |
Genre: | Thriller |
Produktionsland/-jahr: | Kanada, 2023 |
Verleih: | 24 Bilder |
Länge: | 118 Minuten |
FSK: | ab 16 Jahren |
Kinostart: | 07.11.2024 |
Mehr Informationen findet ihr auf der Seite von 24 Bilder
Verfasst von Thomas.
Zuletzt geändert am 06.11.2024
Review: Red Rooms – Zeugin des Bösen (Kino)