In der vergangenen Nacht wurden in Los Angeles zum 85. Mal die Academy Awards verliehen. Gastgeber war in diesem Jahr der als scharfzüngig bekannte „Family Guy“-Schöpfer Seth MacFarlane, der schon bei den Nominierungen durch bissige Kommentare aufgefallen war. Als er dann aber um 2.30 Uhr mitteleuropäischer Zeit die Zeremonie eröffnete konnte jeder Zuschauer miterleben, dass der Komiker zur Mäßigung aufgefordert worden war. In einer 17-minütigen Eröffnung, in der per Videoschaltung „Captain Kirk“ William Shatner zugeschaltet worden war, begnügte er sich mit einem pubertär provokativen Ständchen „We saw your boobs“, das er Hollywoods Damenwelt widmete. Einzig eine Spitze gegen die Oscar-Jury konnte wirklich treffen, als er den Auftrag aus dem Spionagethriller „Argo“ als so geheim einstufte, dass der Academy selbst der Regisseur verborgen blieb. Vorab hatte die Nicht-Berücksichtigung Benn Afflecks unter den Nominierten für den besten Regisseur für allgemeines Unverständnis gesorgt.
Zwei österreichische Volltreffer zwischen biederer Showeinlagen
Zur Eröffnung der Verleihung wurde direkt einer der Hauptpreise verliehen: Christoph Waltz durfte für „Django Unchained“ seinen zweiten Oscar als „Bester Nebendarsteller“ einstreichen und ließ dabei Superstars wie Robert de Niro („Silver Linings“) und Tommy Lee Jones („Lincoln“) hinter sich. Neben einer überflüssigen Tanzeinlage von Channing Tatum und Charlize Theron sowie weiterer semi-origineller Ständchen von MacFarlane nervten vor allem ein gefühlt endloses Medley aus den Musicals „Chicago“, „Dreamgirls“ und „Les Misérables“ sowie eine gequält wirkende Shirley Bassey, die noch einmal „Goldfinger“ zum besten geben durfte (oder musste). Hier sind wohl nur harte Fans beglückt worden. Einzig die später ausgezeichnete Adele konnte mit ihrem Gewinner-Song „Skyfall“ gefallen.
Preise wurden auch weiter verliehen und so gewann der Österreicher Michael Haneke den erwarteten Preis für den „Besten ausländischen Film“ und Quentin Tarantino seinen zweiten Drehbuch-Oscar nach „Pulp Fiction“. Anne Hathaway gewann wie erwartet für ihren Glanzauftritt in „Les Misérables“. Für die Überraschung des Abends sorgte Ang Lee, der sich als „Bester Regisseur gegen Steven Spielberg durchsetzen konnte und für einen von gleich vier Auszeichnungen für „Life of Pi“ sorgte. Insgesamt nahm Topfavorit „Lincoln“ nur zwei von zwölf möglichen Statuen mit nach Hause, wobei der dritte Hauptdarsteller-Preis für Daniel Day-Lewis nicht einmal von Laudatorin Meryl Streep mit einem Überraschungsmoment versehen werden konnte. Zu klar war die Auszeichnung für den Briten, der wieder einmal komplett in seiner Rolle aufging. Etwas spannender ging es bei den Damen zu: Jennifer Lawrence setzte sich für ihre Darstellung als psychisch labile Witwe in „Silver Linings“ durch und bescherte der hoch gehandelten Tragikomödie die einzige von acht möglichen Auszeichnungen.
Neben „Lincoln“ wurde Bigelows Bin Laden Film „Zero Dark Thirty“ zum großen Verlierer, der nur für den Tonschnitt ausgezeichnet wurde. So ging die Show ihrem Ende zu und brachte die Mission von „Argo“ zu einem erfolgreichen Ende, der schon für „Bestes adaptiertes Drehbuch“ und „Bester Schnitt“ gewonnen hatte. So beendeten Grant Heslov, Ben Affleck, George Clooney den Abend, an dem die Veranstalter der großartigen Filmauswahl nur in wenigen Momenten gerecht wurden. Der bemitleidenswerte Seth MacFarlane wird wahrscheinlich nicht mehr zur Verfügung stehen, da seine gebremste Darbietung in keinster Weise seinem vorhandenen Potenzial gerecht wurde. Im nächsten Jahr gibt es hoffentlich eine weit weniger biedere Ansammlung von Showeinlagen, da die Oscars ansonsten schlicht nicht mehr zeitgemäß sind.
Hier noch ein Überblick über die Gewinner:
- Bester Film: “Argo” (Produzenten: Grant Heslov, Ben Affleck, George Clooney)
- Regie: Ang Lee (“Life of Pi – Schiffbruch mit Tiger”)
- Hauptdarsteller: Daniel Day-Lewis (“Lincoln”)
- Hauptdarstellerin: Jennifer Lawrence (“Silver Linings”)
- Nebendarstellerin: Anne Hathaway (“Les Misérables”)
- Nebendarsteller: Christoph Waltz (“Django Unchained”)
- Nicht-englischsprachiger Film: “Liebe” (Österreich, Regie: Michael Haneke)
- Kamera: Claudio Miranda (“Life of Pi – Schiffbruch mit Tiger”)
- Original-Drehbuch: Quentin Tarantino (“Django Unchained”)
- Adaptiertes Drehbuch: Chris Terrio (“Argo”)
- Schnitt: William Goldenberg (“Argo”)
- Filmmusik: Mychael Danna (“Life of Pi – Schiffbruch mit Tiger”)
- Filmsong: Adele Adkins und Paul Epworth (“James Bond 007 – Skyfall”)
- Produktionsdesign: Rick Carter und Jim Erickson (“Lincoln”)
- Tonschnitt: Paul N.J. Ottosson (“Zero Dark Thirty”) und Per Hallberg, Karen M. Baker (“James Bond 007 – Skyfall”)
- Tonmischung: Andy Nelson, Mark Paterson, Simon Hayes (“Les Misérables”) –
- Spezialeffekte: Bill Westenhofer, Guillaume Rocheron, Erik De Boer und Donald Elliott (“Life of Pi – Schiffbruch mit Tiger”)
- Animationsfilm: “Merida – Legende der Highlands” (Regie: Mark Andrews und Brenda Chapman)
- Animations-Kurzfilm: “Paperman” (Regie: John Kahrs)
- Dokumentarfilm: “Searching for Sugar Man” (Regie: Malik Bendjelloul)
- Dokumentar-Kurzfilm: “Inocente” (Regie: Sean Fine und Andrea Nix)
- Make-up/Frisur: Lisa Westcott und Julie Dartnell (“Les Misérables”)
- Kostümdesign: Jacqueline Durran (“Anna Karenina”)
- Kurzfilm: “Curfew” (Regie: Shawn Christensen)
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