Inhalt: 17. Jahrhundert, Italien: Seit ihrer Kindheit lebt die Nonne Benedetta (Virginie Efira, „Mein ziemlich kleiner Freund“) bereits im Kloster der Äbtissin Felicita (Charlotte Rampling, „Angel Heart“). Die strenge und hingebungsvolle Christin tut alles, um dem Konvent und ihrem Erlöser Jesus Christus zu dienen. Seit einiger Zeit wird sie aber von radikalen und schmerzhaften Visionen heimgesucht. Um ihr zu helfen, wird ihr die junge Mitschwester Bartolomea (Daphne Patakia) an die Seite gestellt. Zwischen den beiden Frauen entsteht schnell eine tief empfundene Freundschaft, aus der dann bald eine leidenschaftliche Affäre erwächst. Im Zuge ihres strengstens verbotenen sexuellen Erwachens wird Benedetta noch auf ganz andere Weise von einer vielleicht übersinnlichen Kraft beehrt. So steigt sie zu einem Stern am Himmel der katholischen Kirche auf. Doch Popularität birgt auch Gefahren – vor allem, wenn man ein Geheimnis hat.
Kritik: Seit gut einem halben Jahrhundert ist der inzwischen 83 Jahre alte Paul Verhoeven als Regisseur aktiv und hat auf ganz eigene Art vielfach seine Spuren hinterlassen. Seine Frühwerke wie „Türkische Früchte“ und „Der Soldat von Oranien“ genießen längst Klassikerstatus. Die Hollywoodkarriere mit Filmen von „Robocop“ und „Total Recall“, über „Basic Instinct“, bis zum lange Zeit belächelten „Showgirls“ hätte wohl kaum spektakulärer verlaufen können. In der Spätphase seiner Karriere hat es Verhoeven nach Frankreich verschlagen, wo er nach dem brillanten „Elle“ mit „Benedetta“ einen weiteren Film bringt, in dem er Grenzen austestet. Religiöse Motive haben den Regisseur immer interessiert – selten hat er sie so ausgelebt, wie in diesem Film, der keinerlei Altersmilde erkennen lässt.
Auf den ersten Blick wäre es leicht gewesen, aus „Benedetta“ eine rein auf Sexszenen ausgelegte Nunsploitation-Hommage mit inhaltsarm-antireligiöser Haltung zu machen. Doch Paul Verhoeven geht da einen anderen, intelligenteren Weg. Der Film setzt sich mit tief verwurzelten Strukturen, Unterdrückung und dem Wesen des Glaubens an sich auseinander. Sicherlich gibt es dabei eine Masse an Nacktheit und Sexszenen, wie man sie im Mainstream-Kino der letzten Zeit selten gesehen hat. Sicherlich wird eine Marienstatue zweckentfremdet und andere Späße umgesetzt, bei denen man den Aufschrei des Vatikans bis in den Kinosaal hört. Dennoch ist dieses Spätwerk nicht nur stumpfe Provokation.
Es muss sicherlich erwähnt werden, dass sich der Film bei all seiner überraschenden Substanz ein paar mal zu häufig um sich selbst dreht und nicht an jeder Stelle eine Punktlandung hinlegt. Trotzdem ist „Benedetta“ ein positiver Beweis dafür, was passieren kann, wenn man einem Ausnahmekönner freie Hand gibt. Dabei wird Verhoeven von einem absolut kompromisslosen Cast unterstützt. Gerade Virginie Efira als titelgebende Nonne auf vielfachen Abwegen ist in dem Film eine Wucht. An ihrer Seite bewirbt sich Daphne Patakia für höhere Aufgaben. Hinzu kommen Routiniers wie Charlotte Rampling und Lambert Wilson, die mit bekannter Qualität zum Geschehen beitragen.
Auch wenn „Benedetta“ sicherlich kein perfekter Film ist, liefert Paul Verhoeven hier ein ungewöhnliches Stück Kino, das mehr zu bieten hat, als der erste Blick vermuten lässt.
3,5 von 5 Punkten
Der Film ist ab dem 15.08.2022 im Programm von Amazon Prime Video zu sehen.
Quelle: Capelight Pictures, YouTube
Benedetta
Originaltitel: | Benedetta |
Regie: | Paul Verhoeven |
Darsteller: | Virginie Efira, Charlotte Rampling, Daphne Patakia |
Genre: | Drama, Historienfilm, Erotik |
Produktionsland/-jahr: | Frankreich, 2021 |
Verleih: | Koch Films / Capelight Pictures |
Länge: | 127 Minuten |
FSK: | ab 16 Jahren |
Kinostart: | 02.12.2021 |
Mehr Informationen findet ihr auf der Seite von Capelight Pictures
Verfasst von Thomas.
Zuletzt geändert am 16.08.2022
Review: Benedetta (Film Festival Cologne)