Inhalt: Wie nimmt eine autistische Person die Welt wahr? Über Jahrzehnte wurde zu diesem Thema nur wild spekuliert und gemutmaßt, was zu oft beleidigenden Klischees geführt hat. Der 13 Jahre alte Japaner Naoki Higashida schilderte in dem Roman „Warum ich euch nicht in die Augen schauen kann“ seine Erfahrungen mit der Krankheit und seiner Umwelt. Das Buch entwickelte sich gleichermaßen zur wissenschaftlichen Sensation und zum Bestseller. Der Film folgt autistischen Jugendlichen aus verschiedenen Ländern und versucht, mit Hilfe der Erkenntnisse aus dem Buch einen Einblick in ihr Leben zu erhalten.
Kritik: In den vergangenen 15 Jahren hat sich Jerry Rothwell als Regisseur ungewöhnlicher, oft vielfach preisgekrönter Dokumentationen einen internationalen Namen gemacht. Im Jahr 2020 wagte er sich an die Aufgabe, Higashidas Buch „Warum ich euch nicht in die Augen schauen kann“ auf filmische Ebene zu übertragen. Nach einem arg verhaltenen Start wird er dieser komplexen Aufgabe tatsächlich gerecht. Sobald der Film seinen Hauptfiguren näher kommt, bekommt der Zuschauer eine Auseinandersetzung mit dem Leben autistischer Personen, wie sie wohl noch nie zu sehen gewesen ist. Dabei findet Rothwell eine interessante Mischung aus den Eckpunkten von Higashidas Buch, Hilfsmittel und Ideen, mit denen die betroffenen Familien ihren Alltag verbessert haben und sehr direkten Sequenzen, in denen das Publikum in die Empfindenswelt und Reizüberflutung der Protagonisten eintauchen kann.
Nach einem etwas sprunghaften und distanzierten Einstieg helfen die gut gewählten, ebenso interessanten wie sympathischen Familien, das Publikum auf eine sehr ungewöhnliche Reise zu nehmen. Dabei dürfte wohl kein Zuschauer bis zum Abspann ohne neue Erkenntnisse bleiben. Obwohl der Film mit tollen Bildmontagen und sehr getragenen Sequenzen eher poetische Töne anschlägt, sind es die Fakten und der Umgang mit Higashidas Ansätzen, die hier hervorstechen. „Warum ich euch nicht in die Augen schauen kann“ verzichtet auf jegliche Versuchung, irgendwie mitleidig oder betroffen zu wirken. Der Film ist auch mehr als ein Ratgeber für Familien, die mit einer autistischen Person leben.
Man hat hier eine Normalität greifbar gemacht, die so wohl die Wenigsten kennen dürften. Selbst wenn hier nicht alle Aspekte perfekt funktionieren, ist „Warum ich euch nicht in die Augen schauen kann“ schon aufgrund seines erfrischend anderen Ansatzes eine richtig gute Dokumentation.
Der Film ist ab dem 20.05.2022 auf DVD und digital erhältlich.
4 von 5 Punkten
Bild: Über großen Phasen liefert der Film einen grundsoliden Doku-Look ohne wirklich störende Schwächen. Dabei ragen aber die Szenen, in denen der Film wirklich in die Wahrnehmung seiner Protagonisten eintaucht, heraus. Hier wirken die Farben knalliger, die Kontraste kräftiger und die Schärfe höher, was im Kontext natürlich ein absolut sinnvolles Stilmittel ist.
4 von 5 Punkten
Ton: Der deutsche und der englische Dolby Digital 5.1-Ton kommen vor allem zur Geltung, wenn der Film die intensive Wahrnehmung von (z.B.) Tropfgeräuschen für den Zuschauer erfahrbar machen will. Davon abgesehen erfüllt der Film die Erwartungen, die man an eine Dokumentation stellen kann – in erster Linie eine immer gute Dialogverständlichkeit.
4 von 5 Punkten
Extras: Bis auf ein paar Trailer gibt es kein Bonusmaterial.
1 von 5 Punkten
Gesamt: 3,5 von 5 Punkten
Der Film ist ab dem 29.07.2022 im Programm von Disney+ zu sehen.
Quelle: DCM, YouTube
Warum ich euch nicht in die Augen schauen kann
Originaltitel: | The Reason I Jump |
Regie: | Jerry Rothwell |
Darsteller: | Donna Budway, Jeremy Dearaarti, Khuranajim Juhiwara |
Genre: | Dokumentation |
Produktionsland/-jahr: | USA/UK, 2022 |
Verleih: | DCM |
Länge: | 79 Minuten |
FSK: | ab 6 Jahren |
Mehr Informationen findet ihr auf der Seite von DCM
Verfasst von Thomas.
Zuletzt geändert am 24.05.2022
Review: Warum ich euch nicht in die Augen schauen kann (DVD)